Helena, die erste christliche Pilgerin
von David Hendin
Kürzlich, bei einem Besuch Roms, nahmen wir uns ein Stündchen Zeit, um die Kirche Santa Croce in Gerusalemme zu besuchen. Mein American Express Guide to Rome (nicht mehr erhältlich, aber doch noch immer sehr zuverlässig) wusste, dass es sich dabei um „eine der sieben Pilgerkirchen Roms“ handelte, „die gebaut worden sein soll, um die kostbaren Reliquien zu beherbergen, welche die heilige Helena, Konstantins Mutter, von dem heiligen Kreuz in Jerusalem nach Rom brachte.“
Santa Croce in Gerusalemme. Foto: Anthony M. / Wikipedia.
Der Eyewitness Travel Guide fügt dem noch hinzu, dass „die heilige Helena diese Kirche gründete … auf dem Grund und Boden ihres eigenen Palastes. Obwohl die Kirche am Rande der Stadt gelegen war, ließen sie die materiellen Erinnerungsstücke der Kreuzigung, welche die heilige Helena aus Jerusalem mitgebracht hatte, zu einem Zentrum für Pilger werden. Besonders bedeutsam waren die Stücke des Kreuzes Jesu („croce“ bedeutet „Kreuz“) sowie ein Teil der Inschrift des Pontius Pilatus in Latein, Hebräisch und Griechisch: ‚Jesus von Nazareth, König der Juden‘.“
Konstantin und Helena werden in der orthodoxen Kirche als Heilige verehrt. Hier sehen wir die beiden mit dem von Helena aufgefundenen hl. Kreuz. Foto: UK.
Als wir die Kirche wenige Tage nach Ostern betraten, schienen wir die einzigen Besucher zu sein. Wir stiegen hinauf zum Altar und gingen um die Kapelle herum. Da wir keine Reliquien sahen, begaben wir uns in die kleineren Nebenräume. Schließlich fanden wir sie in einem kleinen Raum hinter dem Hauptaltar. Hier sahen wir nun die Reliquien der heiligen Helena: drei Stücke Holz – in ein größeres Kreuz eingesetzt -, von denen es hieß, dass sie zu dem heiligen Kreuz gehörten. Zwei Dornen, von denen es heißt, sie gehörten zu Jesu Dornenkrone, sind daneben aufgestellt, zusammen mit einem Bronzenagel, der ebenfalls noch von der Kreuzigung stammen soll. Und schließlich sahen wir auch das Stück Holz, das von dem Schild stammen soll, das Pontius Pilatus über dem gekreuzigten Jesus hat anbringen lassen.
Münze mit dem Bild der Helena. (C) David Hendin.
Nicht eine einzige Gedenkprägung zeugt von Helenas bedeutender Pilgerreise ins Heilige Land. Ihre Münzen zeigen uns allerdings das Porträt einer der bedeutenden Persönlichkeiten der Antike. Diese Münze (AE 4) wurde als Gedenkmünze kurz nach ihrem Tod geprägt.
Ob es sich bei diesen Gegenständen um echte Reliquien handelt, kann ich nicht sagen. Aber sie zu betrachten, war eine sehr interessante Erfahrung.
Dabei rief ich mir wieder die Bedeutung Helenas, die später als heilige Helena verehrt wurde, für das Land Israel in Erinnerung. Ihre Geschichte erinnert wahrlich an Aschenputtel. Wir nehmen an, dass Helena um 249 n. Chr. in Drepanum in Bithynien geboren wurde, einem Ort, den Konstantin später in Helenopolis umbenannte. Der heilige Ambrosius spricht von ihr als Kneipenwirtin, andere erzählen, sie habe in der Wirtschaft ihres Vaters bedient. Durch Zufall zog sie die Aufmerksamkeit eines römischen Soldaten auf sich, des Constantius Chlorus. Sie wurde entweder seine langjährige Geliebte oder seine Ehefrau. Jedenfalls gebar sie ihm einen Sohn, Konstantin.
Als Constantius 292 Caesar von Spanien, Gallien und Britannien wurde, verstieß er Helena und heiratete Theodora, die Tochter seines Gönners Maximian.
In der Zwischenzeit war Helenas Sohn Konstantin zu einem Soldaten geworden, der viel Zeit am Hof Diokletians verbrachte. Sobald Konstantin im Jahr 306 die römischen Legionen in Britannien dazu gebracht hatte, ihn zum Caesar auszurufen, holte er seine Mutter zu sich und ließ ihr bei Hof die Ehren zukommen, die ihr als Kaisermutter zustanden.
Im Jahr 312 ereignete sich der bedeutsamste Vorfall in Konstantins ganzer Herrschaft. Als er sich noch auf eine Schlacht mit seinem Rivalen Maxentius an der Milvischen Brücke vorbereitete, sah er im Himmel ein Kreuz mit der Aufschrift: IN HOC SIGNO VINCES („In diesem Zeichen wirst du siegen.“). Er befahl seinen Soldaten sofort, das Labarum, das Monogramm Jesu, auf ihre Schilde zu malen. Mit dieser zusätzlichen Kraft gestärkt, siegten Konstantins Truppen und verhalfen ihm zur Kontrolle sowohl des Westens als auch des Ostens. Daraufhin gelobte Konstantin, aus dem Römischen Reich eine christliche Nation zu machen.
Im Jahr 324 n. Chr. ernannte Konstantin Helena zur „Augusta“; diesen Titel hatte Augustus für Livia eingeführt, er wurde aber bei weitem nicht jeder Kaiserin gewährt, noch weniger den Müttern der Kaiser.
Während des Konzils von Nizäa 325 n. Chr. erklärte Konstantin das Christentum zur offiziellen Religion im Reich. Übrigens ist unklar, ob Konstantin selbst jemals Christ war. Seine Mutter Helena war nicht nur konvertiert, sondern war von ihrer spirituellen Erfahrung derart angeregt, dass sie beschloss, eine Pilgerreise zu unternehmen. Um das Jahr 326 plante sie eine Reise nach Judäa, wo sie alle Stätten besuchen wollte, die im Leben Jesu von Bedeutung gewesen waren. Als sie sich einschiffte, war sie bereits Ende 70. Helenas Pilgerreise wurde zum Vorbild der Reisen, die seit rund 1700 Jahren noch bis heute christliche Pilger ins heilige Land führen.
Vor Helena hatte kein Christ außerhalb des Heiligen Landes den Stätten Judäas besondere Beachtung zukommen lassen. Zu dieser Zeit unterhielten die dort lebenden Juden im übrigen bedeutende Akademien in Tiberius, Sepphoris und Lydda (Lod); sie befanden sich in der abschließenden Phase der Entwicklung des Talmud. Als ich 1985 und 1986 Leiter der Numismatiker der Joint Sepphoris Expedition war, die von Eric und Carol Meyer von der Duke University und von Ehud Netzer von der Hebrew University geleitet wurde, stießen wir auf beeindruckende Mosaikböden. Noch mehr sollten später gefunden werden. Sie deuten darauf hin, dass die Stadt zu der Zeit, als Helena im heiligen Land eintraf, außerordentlich reich war. Einige davon konnten wir tatsächlich durch eine kleine Anzahl von konstantinischen Münzen datieren, die ober- und unterhalb der Mosaiken lagen.
Während die Lokaltradition schon zuvor einige oder vielleicht auch viele der Stätten als heilig ansah, schadete es ihnen doch nicht, dass die Mutter des Kaisers der nunmehr christlichen Stadt Rom diese Stätten als die wahren adelte.
Helena wird unter anderem Folgendes zugeschrieben:
* Sie verkündete den historischen Weg, auf dem Jesus das Kreuz trug, die Via Dolorosa, und die genauen Stellen der vierzehn Haltepunkte.
* Sie fand zumindest einige Stücke des heiligen Kreuzes.
* Sie identifizierte die Stelle nahe des Sees von Galiläa, an dem sich das Wunder der Fisch- und Brotvermehrung begab.
* Sie bestätigte den Ort, an dem Jesus die Bergpredigt hielt.
* Sie benannte die Stelle der Verkündigung, an welcher Maria erfuhr, dass sie ein Kind namens Jesus gebären würde.
* Außerdem fand sie die Orte, an denen Josefs Schreinerei lag, wo Jesus geboren wurde, das Feld, von dem aus die Hirten den Stern von Bethlehem sahen und wo die Herberge aus der Geschichte des Barmherzigen Samariters stand.
Die Geschichte von Helenas Pilgerreise ist ganz sicher kein Fantasiegebilde. In seinem „Leben Konstantins“ (um 340 n. Chr.), schrieb Eusebius nur zehn Jahre nach Helenas Tod, dass sie dem Heiligen Land gute Taten erwiesen habe und „obwohl sie bereits in fortgeschrittenem Alter stand, kam sie angetrieben von jugendlichem Eifer, um dieses Land kennenzulernen.“ Sie „erkundete es mit bemerkenswertem Urteilsvermögen … Und durch ihre grenzenlose Bewunderung für die Fußstapfen des Heilands … ließ sie denen, die nach ihr kamen, die Früchte ihres Glaubens zuteil werden. Danach errichtete sie zwei Häuser des Gebetes für den Gott, den sie verehrte; eines in der Geburtsgrotte (die Geburtskirche in Bethlehem) und das andere an der Stelle von Jesu Himmelfahrt (die Eleona-Basilika auf dem Ölberg).“ Helena soll auch die Stelle gefunden haben, an welcher Jesus gekreuzigt und begraben wurde; dort ließ sie die erste Grabeskirche bauen.
Es ist interessant, dass es kein numismatisches Zeugnis von dieser so reichhaltig dokumentierten Pilgerreise gibt. Die Münzen Helenas können uns nur einen Blick auf die Erscheinung dieser so wichtigen antiken Persönlichkeit werfen lassen.
Wir danken David Hendin für die Erlaubnis, diesen Artikel zu übersetzen und in der MünzenWoche zu publizieren.
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