Der Krieg ist der Vater aller Dinge
Ja, einst gab es sie, die Zeit, in der die Herrscher die Beherrschten fragen mußten, bevor sie ihnen eine neue Steuer auferlegen durften. Bis weit in das späte Mittelalter hinein wurden die Abgaben an König und Fürst von den Untertanen bewilligt. Und die taten das natürlich äußerst widerwillig. Da mußten schon sehr gute Gründe vorliegen, bevor die Versammlung der Stände bereit war, den bürgerlichen Geldsäckel zu öffnen. Das ging auch ganz gut, solange die Herrscher noch über ausgedehnten eigenen Besitz verfügten, mit dem sie diejenigen belohnen konnten, die ihnen gute Dienste leisteten.
Abbildung einer Kanone von 1547. Quelle: Deutsche Fotothek / Wikipedia.
Doch nicht nur heute, auch damals änderten sich die Zeiten und die Ausgaben stiegen. Da gab es zum Beispiel die neue Kriegstechnik. Zu Beginn der frühen Neuzeit war die Kanone erfunden worden: Zunächst nichts anderes als ein Metallrohr, in dem mit Hilfe von Salpeter, Schwefel und Holzkohle eine Explosion ausgelöst wurde, die eine schwere Steinkugel heraus schleudern konnte. Damit besaßen die Heereskommandanten endlich ein wirksames Mittel, eine Stadt im Sturm einzunehmen. Bislang war dies äußerst schwierig gewesen. Die meisten Städte waren entweder nach einer langwierigen Belagerung, durch Verrat oder gar nicht gefallen. Also wollten alle, die einen Krieg zu führen hatten, diese Wunderwaffe haben. Doch Kanonen waren teuer.
Aus: Le diverse et artificiose machine del capitano Agostino Ramelli, 1588. Quelle: Library of Congress / Wikipedia.
So zahlte zum Beispiel der Rat der Reichsstadt Frankfurt am Main im Jahre 1394 für eine große Kanone 1.076 Gulden 14 Solidi und 5 Heller. Darin waren das Material und der Lohn für den Gießer enthalten. Mit dieser Summe hätte man 442 Rinder einhandeln können. Wenig später schaffte sich der Deutsche Ritterorden eine „lange Büchse“ an. Sie wurde im Jahr 1409 auf die Marienburg gebracht und kostete den Gegenwert von 5 Schlachtrossen oder 80 Tonnen Heringen. In Görlitz gab man 1432 460 Schock Groschen aus für zwei Kanonen, mit denen Steinkugeln geschossen werden konnten. Das entsprach 418 Rindern. Es war also ein kleines Vermögen, was so eine neue Kanone kostete.
Schwarzpulver. Quelle: Oliver H. / Wikipedia.
Doch die Anschaffung war noch nicht alles. Da mußten auch noch Lafetten gebaut werden, man brauchte Zugpferde, um die Kanonen zu transportieren, Steinkugeln mußten von Hand gemeißelt werden. Nicht zu vergessen, das Pulver. Holzkohle und Schwefel war billig, aber der Salpeter! Dieser Rohstoff kam im 14. Jahrhundert aus Indien und wurde über Venedig importiert, das die Preise diktieren konnte. 1380 zahlte man in Frankfurt und Nürnberg für den Zentner Salpeter 52 Gulden. Mehr als zwei Rinder hätte man dafür bekommen. Ein einziger Schuß aus einer Kanone kostete 21 Gulden, 18 Solidi, mehr als eine gute Milchkuh. Was für ein Glück, daß man mit den ersten Kanonen meist nur einmal am Tag schießen konnte!
Zweiteiliges osmanisches Belagerungsgeschütz. Ein ähnliches war entscheidend für die Eroberung von Konstantinopel im Jahr 1453. Foto: Wikipedia.
Man sieht, welche Kostenexplosion für die Kriegsparteien die Verwendung von Kanonen mit sich brachte. Die Fürsten merkten schnell, daß sie mit den Städten, die ein regelmäßiges Einkommen aus Zöllen und Steuern bezogen, nicht mithalten konnten. Die freien Reichsstädte schafften sich die Kanonen an, und die Fürsten durften sie sich ausleihen. So mag mancher über den Aufbau einer eigenen Artillerie nachgedacht haben. Was lag dafür näher, als auf ein geordnetes Steuerwesen hin zu wirken. Aber bis das durchgesetzt war, sollten noch Jahrhunderte vergehen.