Ein Donativ Constantins des Großen


mit freundlicher Genehmigung von Dr. Hans Voegtli / ACAMA

CONSTANTINUS I. DER GROSSE, 307-337. Silbermedaillon zu 4 Siliquen, Siscia, 336-337. AVGVSTVS Kopf n. r. mit Diadem, das aus Juwelen und Lorbeerblättern zusammengesetzt ist. Rv. CAESAR in Lorbeerkranz, darunter SIS. 13,20 g. RIC VII, 459, 259.

Dieses eindrucksvolle Stück gehört zu einer kleinen Serie von Silbermedaillons, die in den Jahren 336/7 von Constantinus I. herausgegeben wurde. Zwei verschiedene Münztypen wurden dafür geprägt. Zum einen das vorliegende Stück, zum anderen ein gleich schweres Silbermedaillon, das auf der Vorderseite das Porträt des Constantinus II. zeigt mit der Aufschrift CAESAR, auf der Rückseite einen Kranz, in den XX einbeschrieben ist.
Diese Münzrückseite gibt uns einen Hinweis, aus welchem Grund die Medaillons geprägt wurden. Am 1. März 317 feierte Constantinus II. seine Vicennalia, sein 20jähriges Regierungsjubiläum. Dies war in erster Linie ein religiöses Fest, das seine Wurzeln noch in den Bräuchen zur Zeit der römischen Republik hatte. Jedes Jahr gelobten die neuen Konsuln, pro salute rei publicae (= für das Wohl des Staates) dem Iuppiter einen Stier zu opfern, ihre Nachfolger im Amte mußten ihrerseits bei ihrem Antritt eben diesen Stier Iuppiter darbringen und einen neuen für das neue Jahr geloben. Seit Caesar wurden neben den Gelübden für den Staat auch solche für das Wohl des Princeps (pro salute principis) geleistet. Dazu kamen seit Augustus Gelübde, die pro salute novi principis (= für das Wohl des neuen Princeps) gesprochen wurden. Man kündigte sie nach dem Regierungsantritt an und feierte sie am darauf folgenden 3. Januar groß mit religiösen Zeremonien, die denen der Opfer zum Wohl des Staates durchaus ähnlich waren. So wurde jedes Jahr das Gelübde eingelöst und neu versprochen, wobei die Feiern alle fünf Jahre größer und bedeutender ausfielen als normalerweise.
Nicht nur die Götter „bestach“ man anläßlich dieser Regierungsjubiläen, auch die Soldaten waren Nutznießer des Systems. Seit der Thronbesteigung des Claudius hatte es sich eingebürgert, ihnen bei der Machtübernahme ein Geldgeschenk zu machen, um ihre Unterstützung zu erringen. So war es ursprünglich im Interesse der Soldaten in Wirren – wie im Dreikaiserjahr 69 – möglichst viele Herrscher um das Amt des Kaisers konkurrieren zu lassen, da dabei am meisten Donative verteilt wurden. Um dies zu vermeiden, verteilten diejenigen, die an die Macht gekommen waren und diese auch behalten wollten, bald zu den verschiedenen Regierungsjubiläen Geschenke an die Soldaten. Bekannt geworden zu diesem Thema ist ein Ausspruch des Septimius Severus, der laut Cassius Dio LXXVII, 15, 2 zu seinen Söhnen gesagt haben soll: „Seid einig, bereichert die Soldaten, verachtet die anderen.“
Unsere Münzen zu vier Siliquen gehörten zu einem solchen Donativ. Vier Siliquen entsprachen 12 Skrupel Gold. Ein Solidus zählte vier Skrupel, das heißt, zwei dieser Medaillons waren 6 Solidi wert oder 5 alte Aurei. 5 Aurei, das war genau die Summe, die – wie wir dem Oxyrhynchus Papyros entnehmen können – ein Praepositus, ein Anführer einer militärischen Einheit, von Constantinus I. anläßlich seines Regierungsjubiläums ausgezahlt bekam. So dürften diese Medaillons an sehr viele Anführer der römischen Armee verteilt worden sein.
Diese weite Verbreitung war wichtig. Die Medaillons hatten nämlich nicht nur den Zweck, den Anführern unter den Soldaten ihr Donativ zu zahlen, sondern sie sollte auch eine kaiserliche Botschaft weiterverbreiten. Zwei Medaillons erhielt der Soldat. Auf dem einen war der ihm bekannte Augustus Constantinus I. Auf der Rückseite fand der Soldat das Wort CAESAR in einem Lorbeerkranz. Nun mußte er sich das zweite Medaillon ansehen. Hier konnte er den Caesar betrachten, Constantinus II., genau bezeichnet durch das Datum der Vicennalia auf der Rückseite, anläßlich derer das Donativum ja gemacht wurde. Jeder Beschenkte wird also gewußt haben, welchem der drei Söhne Constantins er diese Gabe verdankte.

Head of Constantine the Great. Part of a bronze statue. Musei Capitolini / Rome. Wikipedia.

Warum aber wurde nur einer von Constantins Nachkommen so ausgezeichnet?
Dafür gab es einen ganz einfachen Grund. Im System der Tetrarchie hatte
es immer einen Herrscher gegeben, der seine Mitkaiser an Autorität ein
wenig überragte. Diocletian besaß mehr Einfluß als Maximianus,
Constantinus der Große war seinen Söhnen an Autorität überlegen. Was
aber sollte geschehen, wenn Constantinus einst sterben würde? Es war
wichtig für den Kaiser, deutlich zu zeigen, welcher seiner Söhne die
anderen an Autorität überragen sollte. Deshalb diese herausragende
Emission für seinen ältesten Sohn. Constantinus starb bald darauf mit
51 Jahren am 22. Mai 337. Leider hatte er zwar die Erhebung des
Constantinus II. zu seinem Nachfolger propagandistisch vorbereitet,
aber eine tatsächliche Erhebung zum Augustus nicht mehr durchgeführt.
Nach seinem Tod wagte zunächst keiner der Söhne, diesen Titel
anzunehmen und so kam es – zum Teil weil eine oberste Macht fehlte – zu
blutigen Auseinandersetzungen. Constantinus II. fiel einem Streit mit
seinem Bruder Constans zum Opfer. Er hatte versucht, Italien zu erobern
und war bei Aquileia in einen Hinterhalt geraten und getötet worden.
Seine Leiche wurde in den Fluß Alsa geworfen, nicht einmal 3 Jahre nach
der Verteilung unseres Donativums, das ihn zum Nachfolger des großen
Constantin proklamierte.

  • P. Bastien, Monnaie et Donativa au Bas-Empire, Wetteren 1988.
  • A. Demandt, Die Spätantike, Handbuch der Altertumswissenschaften 3, 6, München 1989.
  • J. Lafaurie, Une série de médaillons d’argent de Constantin I et Constantin II, RN 1948/9.