Ist das Maß voll? 2-Euro-Sammler kapitulieren vor Varianten-Flut
von Sebastian Wieschowski
Das Münzensammeln ist ein Hobby, welches nicht nur lehrreich ist, sondern im besten Fall dauerhaft Freude bereiten soll – doch bei einem Blick in die einschlägigen Online-Foren, Facebook-Gruppen und Discord-Servern entsteht der Eindruck, dass immer mehr Sammlern von 2-Euro-Münzen der Spaß vergangen ist. Es ist eine leidenschaftliche Debatte darüber ausgebrochen, ob die Prägeanstalten, Finanzministerien und Notenbanken der Euro-Länder den Bogen bei der Ausgabe von 2-Euro-Sammlerstücken überspannt haben.
Inhalt
Zypern: Münze mit Mini-Auflage sorgt für Stress
Für viele Sammler ist mit der neuesten 2-Euro-Gedenkmünze aus Zypern endgültig das Fass übergelaufen. Die Central Bank of Cyprus hatte entschieden, dass die Münze lediglich in einer Mini-Auflage von nur 7.000 Stück in „Polierte Platte“ hergestellt wird. Münzen aus Rollen oder in Coincards gab es von dieser Münze nicht – bisher hatte Zypern, das bislang zu den Ausgabeländern mit den wenigsten 2-Euro-Gedenkmünzen zählte, stets Rollenware und gelegentlich auch Coincards ausgegeben. Doch im Jahr 2024 entschied sich die Zentralbank für eine neue Verkaufsstrategie. Die Folge: Man konnte diese Lücke in der Sammlung nur durch eine direkte Bestellung in Zypern oder den Kauf bei einem Händler schließen. Doch Ersteres gestaltete sich kompliziert und entwickelte sich im Spätherbst des letzten Jahres zu einer regelrechten Farce. Und letzteres ging kräftig ins Geld – bis zu 1.500 Euro wurde zwischenzeitlich verlangt, inzwischen sinken die Preise in Richtung von 1.000 Euro. Doch so viel Geld möchten die wenigen 2-Euro-Sammler ausgeben.
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Luxemburg sorgt bei manchen Sammlern für Begeisterung, bei anderen für Stirnrunzeln mit Relief- und Fotoprägungen. Foto: BCL
Luxemburg: Relief, Fotoprägung – und jetzt noch Farbe und Reverse Proof
Zu den größten Ärgernissen der Zwei-Euro-Community zählen auch die 2-Euro-Gedenkprägungen aus Luxemburg. Das kleine Großherzogtum ist seit dem Jahr 2002 beim Euro dabei und hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten gleich mehrere Möglichkeiten entdeckt, den Umsatz mit seinen 2-Euro-Gedenkmünzen zu optimieren. Der letzte Schrei seit einigen Jahren: Ein und dasselbe Motiv in zwei verschiedenen Prägeausführungen, „Fotoprägung“ und „Reliefprägung“ genannt. Und damit nicht genug. Es kommen Münzen in Coincards und in Polierter Platte dazu, einzelne Variante sind nur in Kursmünzensätzen zu finden, andere in Coincards – so ist in den vergangenen Jahren ein regelrechter Urwald an Varianten luxemburgischer 2-Euro-Münzen entstanden.
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Sprachenvielfalt als Glückfall für den Vertrieb: Belgien gibt seine Coincards in zwei Sprachversionen heraus. Foto: herdenkingsmunten.be
Belgien und die Niederlande: Ein geringeres Übel für Sammler
Zu den geringeren Übeln des Euro-Sammelns zählen die Gedenkmünzen, die ausschließlich in Coincards ausgegeben werden. Vor allem Belgien, aber auch Frankreich, haben sich in den letzten Jahren durch diese Ausgabepolitik hervorgetan. Belgien und die Niederlande setzen dabei eine kulturelle Eigenheit ihrer Länder gekonnt in Szene, um Sammlern ein paar Euro extra aus den Rippen zu leiern: Die Coincards aus diesen beiden Ländern werden in zwei verschiedenen Sprachversionen gedruckt. Die Münze selbst unterscheidet sich nicht, aber die Pappe drumherum trägt eine abgewandelte Beschriftung.
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Frankreich treibt die Prägetechnik der 2-Euro-Münzen auf die Spitze – mit einer Proof-Variante. Foto: Monnaie de Paris
Frankreich: Das Mutterland aller Spezialeffekte
Apropos Frankreich: Die Monnaie de Paris, die in den letzten Jahren einen Rekord mit fünf verschiedenen Coincards für ein und dasselbe 2-Euro-Münzmotiv aufgestellt hat, sorgte im vergangenen Jahr für eine weitere Innovation, die nicht nur auf Gegenliebe stieß: Die sogenannte „Reverse-Proof“-Prägetechnik hat es bisher noch nie auf 2-Euro-Münzen gegeben und verleiht den Münzen eine ganz eigene Optik. Auch hier war die Auflage jedoch viel zu gering bemessen, sodass die Münzen nach dem Erstverkauf im niedrigen zweistelligen Bereich sehr schnell einen Marktwert von über 200 Euro erreichten. Insgesamt vier verschiedene Versionen gab Frankreich von seiner letzten Olympia-Münze heraus – zuviel des Guten für viele Sammler.
Die numismatische Gretchenfrage
Die Vielfalt und Fülle immer neuer Ideen bei der Gestaltung weiterer 2-Euro-Sammlerstücke führt zu einer Gretchenfrage für viele Sammler: Sollten sie lieber ihr Hobby aufgeben? Ist der Bogen überspannt, und macht es überhaupt noch Sinn, alle Varianten zu besitzen? Ist dies überhaupt möglich, wenn man keinen Goldesel im Keller stehen hat? Auffällig viele 2-Euro-Fans bekennen inzwischen öffentlich: Es reicht.
Doch wie lässt sich der Sammlerfrust beseitigen und in die Sammelleidenschaft zurückverwandeln, die viele 2-Euro-Freunde seit dem Jahr 2004 (als die ersten 2-Euro-Gedenkmünzen geprägt wurden) so begeistert? Ein ganz einfacher „Lifehack“: Konzentrieren Sie sich auf ein Teilgebiet! Der Wunsch, das Sammelgebiet der 2-Euro-Münzen komplett abzudecken, mag verlockend erscheinen, ist jedoch inzwischen lebensfremd geworden.
Wer tatsächlich eine Komplettsammlung aller Varianten der Zwei-Euro-Münzen eines Jahrgangs besitzen will, muss einen hohen vierstelligen Betrag pro Jahr aufwenden. Dass er dieses Geld eines Tages beim Weiterverkauf wieder sieht, wird zunehmend unwahrscheinlich. Denn die Marktwerte für 2-Euro-Münzen schwanken stark, und es gibt nicht wenige Beispiele, die gestern noch extrem begehrt waren und heutzutage niemand mehr haben möchte.
Ein Sammelgebiet in seine Einzelteile zerlegt
Gerade das Sammelgebiet der Zwei-Euro-Münzen ist prädestiniert dafür, in seine Einzelteile zerlegt zu werden:
- Da sind im ersten Schritt alle Münzen, die man theoretisch im Umlauf bekommen könnte. Sie sind für 3 bis 10 Euro pro Stück in unzirkulierter Qualität direkt aus der Rolle beim Händler des Vertrauens zu haben. Wer diese Strategie verfolgt, ist mit wenigen hundert Euro pro Jahr dabei.
- Die Sammlung lässt sich im zweiten Schritt mit den bezahlbaren Coincards aus den Ländern erweitern, die ihre Münzen ausschließlich in diesen Plastikverpackungen ausgeben. Hierbei handelt es sich um Belgien, Frankreich und Malta, wobei es nicht unbedingt erforderlich ist, jedes erdenkliche Coincard-Design aus diesen Ländern zu besitzen.
- In einem dritten Schritt für Fortgeschrittene kommen die Zwei-Euro-Münzen aus den Kleinstaaten an die Reihe: 2-Euro-Münzen aus dem Vatikan, San Marino und Andorra sind im Preissegment um 30 bis 50 € pro Coincard zu haben.
- Der numismatische Luxus, den sicherlich nicht jeder Sammler teilen muss, beginnt mit den Münzen, die ausschließlich in polierter Platte erhältlich sind. Monaco ist für viele Sammler ein rotes Tuch, weil die Münzen wegen ihrer geringen Auflage in den letzten Jahren mit 300 bis 400 Euro pro Stück gehandelt wurden.
Für diesen Betrag könnte man locker einen ganzen Jahrgang der Kurs-Gedenkmünzen und einige Schätze aus anderen Kleinstaaten kaufen. Und die anderen PP-Münzen, die es neben der Rollenware gibt, sind nur etwas für diejenigen, die sich auf polierte-Platte-Münzen spezialisiert haben und bereit sind, größere Beträge in ihre Sammlung zu investieren.
Lange Rede, kurzer Sinn: Als Jäger und Sammler folgen wir instinktiv unseren Trieben, die sich oft nicht rational erklären lassen und die wir nur schwer beeinflussen können. Gerade bei unserem Hobby, dem Münzensammeln, sollten wir jedoch nicht den Verstand verlieren – denn ansonsten verlieren wir eines Tages die Leidenschaft an diesem Hobby. Und damit wäre niemandem geholfen – weder uns selbst noch den Prägestätten, deren Geschäft ohnehin immer herausfordernder wird.