Joachim Stollhoff (18.7.1948-2.11.2024)
von Claire Franklin-Werz
Joachim Gottlieb Stollhoff verstarb am 2. November unerwartet an den Folgen einer schweren Lungenentzündung, die er sich eine Woche zuvor zugezogen hatte. Joachim Stollhoff war Geschäftsführer der Münzen & Medaillen GmbH in Weil am Rhein und stand kurz vor seiner 51. Auktion.
Joachim Stollhoff wurde 1948 in West-Berlin geboren und wuchs im Bezirk Charlottenburg auf. Sein Vater Fritz Stollhoff war Ahnenforscher und Joachim hatte eine ältere Schwester Helga, die früh verstarb und zwei Nichten hinterließ, mit denen er in engem Kontakt blieb. Er besuchte die Theodor Heuss Realschule bis zum Abitur und nahm in späteren Jahren gerne an Klassentreffen in Berlin teil. Als junger Mann interessierte er sich für Sport und studierte Leibeserziehung. Doch Münzen und Geschichte faszinierten ihn schon seit seiner Kindheit: Ab etwa seinem zehnten Lebensjahr besuchte er Münzbörsen. Auch an Auktionen nahm er in Begleitung seines Vaters teil, bevor er alt genug war, um selbst mitzubieten (und die Münzen bezahlen) zu können.
Nach dem Abitur studierte Joachim an der Freien Universität Berlin geschichtliche Hilfswissenschaften und Anglistik. Zur Verzweiflung seiner Eltern blieb er lange Zeit Student und fand erst mit über 30 Jahren einen richtigen Job. In dieser Zeit war er oft und lang in Großbritannien. Er besuchte Sprachschulen, lernte die Familie Hennessey in Surrey kennen und schloss eine lebenslange Freundschaft mit Shenagh Franklin (geb. Hennessey), deren Tochter Claire Franklin-Werz später seine Mitarbeiterin wurde. Bei seinen Besuchen in Großbritannien unternahm er lange Radtouren durch die Landschaft, lebte sehr bescheiden und übernachtete oft in einem kleinen Zelt. Eine Zeit lang arbeitete er als Pförtner im Mayfair Hotel in London und später als Deutschlehrer an einer Schule in Dorking.
Obwohl sein Hauptinteresse den Münzen galt, hatte Joachim Stollhoff zunächst Schwierigkeiten, in der Numismatik Fuß zu fassen. Er arbeitete einige Zeit in Köln und wurde dann Mitarbeiter von Hans-Willy Müller in Solingen, wo er viel über den Münzhandel lernte und sich auf mittelalterliche und frühneuzeitliche Münzen spezialisierte. Er arbeitete auch einige Jahre in München, wo er sich mit der Familie von Hans-Jörg Kellner anfreundete. Ende der 1990er kam er zur Münzen & Medaillen AG an der Malzgasse in Basel, die seit mehreren Generationen von der Familie Cahn geführt wurde. Dort arbeitete er mit Dr. Hans Voegtli zusammen, der für die antiken Münzen zuständig war, und redigierte die mittelalterlichen und neuzeitlichen Teile der Auktionskataloge unter der Leitung von Bernhard Schulte, dessen Sammlung er nach dessen Tod 2008 versteigerte. Während seiner Zeit in Basel arbeitete er auch mit Ursula Kampmann zusammen, mit der ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Später wurde Joachim Stollhoff Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des Unternehmens, der Münzen & Medaillen Deutschland GmbH, die 1997 von Arne Kirsch gegründet worden war. Nach der Schließung der Münzen & Medaillen AG Basel führte er das Unternehmen unter dem Namen Münzen & Medaillen GmbH bis zu seinem Tod weiter. Bis zu dessen Pensionierung arbeitete er auch weiterhin eng mit Hans Voegtli zusammen. 2008 stellte er Claire Franklin (später Claire Franklin-Werz) als Leiterin der Abteilung für antike Münzen ein. Als sie 2017 Ulrich Werz heiratete, begleitete er ihn als Trauzeuge zum Altar. Nach Ulrichs Tod im Jahr 2023 war er ihr eine große Stütze.
Als Auktionator leitete Joachim Stollhoff die meisten seiner Auktionen selbst. Viele Jahre lang fanden diese im Steigenberger Hotel Graf Zeppelin in Stuttgart statt, doch als sich die Zeiten änderten und immer weniger Bieter persönlich zu den Auktionen kamen, verlagerte er die Versteigerungen ins Internet, wobei er darauf achtete, dass seine älteren Kunden, die ihm oft seit Jahren die Treue hielten, nicht benachteiligt wurden. Er versteigerte eine Reihe historisch interessanter Sammlungen, darunter 2007 eine große Napoleon-Sammlung, die seine erfolgreichste Auktion blieb, 2008 die Sammlung mittelalterlicher Münzen von Bernhard Schulte, 2019 die Sammlung von Kreuzfahrermünzen von Erich Wäckerlin und ab 2016 die Münzen von Marcus Weder. Seine Kataloge zur Sammlung Righetti mit provinzialrömischen Münzen und zur BCD-Sammlung zu Ätolien und Akarnanien (2007) sind ebenfalls zu Standardwerken auf diesem Gebiet geworden. Joachim Stollhoff hat auch mehrere seiner eigenen Sammlungen versteigert, darunter die britischen Tokens (2008), die Grafschaft Montfort (2012) und die Medaillen zu den Aufständen von 1848 in Europa (2018).
Die Faszination für historische Münzen blieb Joachim Stollhoff zeitlebens erhalten. Im Gegensatz zu manchen Münzhändlern versuchte er, komplette Münzsammlungen in seine Auktionen aufzunehmen, auch wenn einige Stücke von geringerem Wert waren, denn er wollte die Sammlung im Sinne des Sammlers erhalten. Für ihn waren die Geschichten hinter den Münzen interessant, und er versuchte, sie anderen zu vermitteln, indem er sich an Internetforen beteiligte (wobei er kritisierte, dass viele der Sammler dort nur den Wert der Münzen im Auge hätten) und Kontakte zu einer Vielzahl von Wissenschaftlern und Sammlern pflegte; einige seiner Kontakte wurden später selbst erfolgreiche Münzhändler. Als Mitglied des Circulus Numismaticus Basiliensis in Basel konnte Joachim einen Teil seines Wissens weitergeben: Er hielt Vorträge über verschiedene Sammlungen und Münzen, die er bearbeitet hatte, wie die Wäckerlin-Sammlung von Kreuzfahrermünzen, britische Tokens und sogar den „Brakteatenfund aus der Zigarrettendose“, eine Sammlung geschnittener und fragmentierter mittelalterlicher deutscher Brakteaten aus der Zeit um 1190-1220, die er in einer Zigarettenschachtel der Münzen & Medaillen AG Basel gefunden hatte. In einem Vortrag im Jahr 2020 konnte er den Fund identifizieren und erläutern, wobei er die verlorenen Teile der Münzen mit Bildern von besser erhaltenen Münzen ergänzte. Er veröffentlichte seine Arbeit als Abschnitt im Katalog der Münzen & Medaillen GmbH für die Auktion 49 (20. November 2020). Trotz seiner umfassenden Kenntnisse über Münzen, insbesondere aus dem mittelalterlichen Deutschland, und obwohl er stets bestrebt war, neue Erkenntnisse zu gewinnen, verspürte er nie den Drang, wissenschaftliche Artikel zu schreiben.
Joachim Stollhoff starb eine Woche vor seiner 51. Auktion (der Termin wurde vom 5. November auf den 4. Dezember verschoben.). Nach den Unwägbarkeiten der Corona-Zeit und angesichts der zunehmenden Konkurrenz in der Münzwelt war er erstaunt und stolz, dass er es noch bis zu seiner 50. Auktion geschafft hatte; obwohl er sich geschworen hatte, dass es seine letzte sein würde, war er, als ihm neues Material angeboten wurde, schnell bereit, eine weitere Auktion durchzuführen. Die Arbeit in der Münzen & Medaillen GmbH war sein Leben, an Wochenenden und Feiertagen war er oft in seinem Büro anzutreffen und wohnte in einer Wohnung direkt darüber. Geschäftsreisen zu Kunden nutzte er jedoch häufig, um das Büro zu verlassen und neue Gegenden zu erkunden. Mit einem zunehmend ramponierten Ford Focus, den er von Bernhard Schulte geerbt hatte, weil er so stark nach Zigarillorauch roch, dass ihn kein Händler kaufen wollte, fuhr er durch Deutschland. Es wurde zu einem Running Gag, dass er oft sagte: „Oh, diese Stadt hatte im Mittelalter eine Münzprägestätte, also muss sie historisch interessant sein. Lass uns hinfahren und nachsehen, ob es dort noch etwas gibt.“ Als 2015 der Internationale Numismatische Kongress in Taormina stattfand, nahm er dies zum Anlass, mit Claire Franklin von Weil am Rhein nach Sizilien zu fahren und auf dem Weg zum und vom Kongress unzählige historische Städte und archäologische Stätten zu besuchen. Dasselbe taten sie beim Internationalen Numismatischen Kongress 2022 in Warschau und fuhren durch Polen. Nur einen Monat vor seinem Tod nahm Joachim an der Tagung der Schweizerischen Numismatischen Gesellschaft in Bellinzona teil. Er verbrachte eine Woche in den Alpen und besuchte Aosta, bevor er zu einer Konferenz über alexandrinische Münzen nach Lugano reiste, an der er wegen eines Magenleidens aber nicht teilnehmen konnte.
Joachim hat nie die Fähigkeit verloren, die Welt um sich herum zu bewundern. Jedes Jahr wunderte er sich, dass er trotz seines hohen Alters noch Ski fahren konnte. Ich erinnere mich, wie er auf einer Reise durch Deutschland in Holzmaden auf der Schwäbischen Alb anhielt, um ein riesiges Fossil einer prähistorischen Seelilie (Crinoid) zu bewundern. Obwohl er Atheist mit kommunistischen Sympathien war (er war lebenslanger TAZ-Leser), besuchten wir auf unseren Reisen immer historische Kirchen.
Joachim Stollhoff war nie verheiratet und hatte keine Kinder. Er starb, wie er es sich gewünscht hatte: mitten in seiner Arbeit. Er wurde 76 Jahre alt. Er hinterlässt zwei Nichten mit ihren Familien.