Ein Jahr Goldbarren im Supermarkt in den USA: Würde das Costco-Modell auch in Europa funktionieren?
Von Sebastian Wieschowski
In einem Supermarkt schlendert eine Kundin durch die Gänge, befüllt ihren Einkaufswagen mit alltäglichen Produkten wie Brot, Milch und Haushaltswaren. Plötzlich bleibt sie vor einem besonderen Regal stehen: Neben elektronischen Geräten und Schmuckstücken liegen Goldbarren – echte 24-karätige Goldbarren, vakuumversiegelt und sicher verpackt. Mit einem kurzen Blick auf das Preisschild greift sie zu, scannt den Barren wie jedes andere Produkt an der Kasse, zahlt und verlässt den Laden – eine Szene, die in den USA seit dem Herbst 2023 zur Realität geworden ist, seitdem der Großhändler „Costco“ Investment-Goldbarren anbietet.
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Dreistellige Millionenumsätze – pro Monat
In Deutschland hingegen wäre ein solcher Einkauf noch undenkbar. Goldbarren gehören hierzulande zu den exklusiveren Produkten, die man nur in spezialisierten Geschäften, Banken oder bei Edelmetallhändlern erwerben kann. Dass ein großer Supermarkt wie Costco in den USA im September 2023 damit begann, Goldbarren in seinen Regalen anzubieten, sorgte international für Aufsehen und regte Diskussionen an. In den USA hat sich das Modell jedoch als voller Erfolg erwiesen: Sobald Nachschub kam, waren die Goldbarren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft, die Großhandelskette machte damit übereinstimmenden Medienberichten zufolge einen monatlichen Umsatz von 100 bis 200 Millionen US-Dollar – und Costco-Mitglieder haben bis heute die Möglichkeit, diese besondere Investition direkt beim Wocheneinkauf zu tätigen.
Dieser Erfolg basiert jedoch auf einer Reihe von Faktoren, die sich nicht eins zu eins auf Europa oder speziell Deutschland übertragen lassen. Zum einen ist Costco in den USA ein Phänomen, das in dieser Form in Europa nicht existiert. Das Unternehmen bietet seinen Kunden im Wholesale-Format Produkte zu Großhandelspreisen an, und viele Amerikaner besitzen eine kostenpflichtige Costco-Mitgliedschaft, um diese günstigen Konditionen nutzen zu können.
Costco ist in der US-Konsumlandschaft einzigartig
Ein vergleichbares Einzelhandelsmodell ist in Europa kaum verbreitet – es gibt zwar einige Wholesale-Ketten, aber keine erreicht die Verbreitung und Popularität von Costco in den USA. Und um Goldverkäufe im Umfang von mehreren hundert Millionen Euro pro Monat zu stemmen, ist eine gewisse Unternehmensgröße nötig – zumal „Umsatz“ im Edelmetallhandel noch lange nicht „Gewinn“ bedeutet, die Marge bei klassischen Anlageprodukten wie Goldbarren liegt im niedrigen Prozentbereich.
Ein weiterer Unterschied liegt in der Infrastruktur des Edelmetallhandels. Während in den USA viele Menschen nur online oder in ausgewählten Geschäften Gold erwerben können, gibt es in Deutschland in nahezu jeder größeren Stadt einen oder mehrere spezialisierte Edelmetallhändler, die Gold in allen Formen anbieten. Diese Geschäfte genießen das Vertrauen ihrer Kunden, bieten Beratung an und haben einen festen Platz im deutschen Einzelhandelsgefüge. Dadurch ist die Notwendigkeit, Gold im Supermarkt zu kaufen, hier weniger ausgeprägt als in den USA.
Edelmetall beim Shopping-Bummel mitnehmen – in Deutschland längst Standard
Ein weiterer Faktor, der gegen eine einfache Übertragung des Costco-Modells auf Deutschland spricht, ist das kulturelle Verständnis von Gold als Anlageform. In Deutschland wird der Kauf von Gold häufig als langfristige und strategische Entscheidung betrachtet. Viele Anleger schätzen den persönlichen Kontakt zu einem Händler, der ihnen Sicherheit und Vertrauen bietet.
Der spontane Kauf eines Goldbarrens während des Wocheneinkaufs würde dem deutschen Investitionsverständnis zuwiderlaufen, wo die Suche nach dem besten Preis oft mit intensiver Recherche und Überlegung einhergeht – und wo ein Großteil der Bevölkerung weiterhin einen großen Bogen um Sachwert-Investments wie Edelmetalle oder gar Aktien macht, sondern sein Geld lieber auf dem Sparbuch liegen lässt.
Großes Volumen, kleine Margen – welcher Discounter hat Lust auf dieses Geschäft?
Aber könnte es dennoch funktionieren, Gold über den Einzelhandel in Deutschland zu vertreiben? Denkbar wäre ein Modell, bei dem große Einzelhändler in Zusammenarbeit mit Edelmetallhändlern kleine Goldmengen, etwa in Form von Münzen oder kleinen Barren, anbieten – wie wäre es beispielsweise mit einem Aldi-Barren? Diese könnten in einer sicheren Vitrine im Laden ausgestellt werden, so wie beispielsweise schon jetzt Unterhaltungselektronik im Discounter verkauft wird. Das Problem hierbei: Die Margen-Erwartungen der Discounter sind hoch.
Aktuell wäre wohl die einzig realistische Möglichkeit, Edelmetallprodukte über Online-Plattformen großer Einzelhändler anzubieten, wobei die Lieferung über die Händler erfolgt. So könnte der Supermarkt als Vermittler fungieren, ohne selbst in den komplexen Handel mit Edelmetallen einsteigen zu müssen. Auch könnten exklusive Kooperationen zwischen bekannten Einzelhandelsketten und etablierten Goldhändlern das Vertrauen der Kunden stärken und den Zugang zu Gold vereinfachen.
Satte Rendite für Costco-Kunden
Während deutsche Anleger also vorerst noch den Weg zum nächstgelegenen Edelmetallhändler auf sich nehmen müssen, dürfen sich diejenigen Costco-Kunden, die im September 2023 einen Goldbarren im Vorbeigehen gekauft haben, nun besonders freuen: Der Goldpreis ist in den vergangenen zwölf Monaten deutlich gestiegen. Wer damals einen Goldbarren zum Preis von etwa 1.950 US-Dollar pro Unze erworben hat, kann sich heute über eine Wertsteigerung freuen, denn der Goldpreis liegt im September 2024 bei rund 2.600 US-Dollar pro Unze. Das bedeutet eine Steigerung um ein Drittel innerhalb eines Jahres – eine erfreuliche Rendite für alle, die rechtzeitig in das Edelmetall investiert haben.