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Gold auf Rekordhoch: Historische Goldmünzen jetzt einschmelzen – oder behalten?

Von Sebastian Wieschowski

Die Entwicklung an den Rohstoffmärkten hält seit einigen Monaten sowohl Edelmetallhändler als auch Unternehmen aus dem klassischen Münzhandel sowie Sammler in Atem: Der Goldpreis hat Mitte Juli ein neues Allzeithoch von rund 2260 € pro Feinunze erreicht. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 betrug der durchschnittliche Goldpreis noch rund 1100 Euro und noch vor drei Jahren, also im Jahr 2021, lag der Durchschnittspreis bei 1500 Euro.

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Die Qual der Wahl: Welche Goldmünzen sind zu gut für die Schmelze? Foto: Wieschowski / „Iron melting furnace“ von „fotosuper“ von Getty Images via Canva Pro.

Die Qual der Wahl: Welche Goldmünzen sind zu gut für die Schmelze? Foto: Wieschowski / „Iron melting furnace“ von „fotosuper“ von Getty Images via Canva Pro.

Der rekordverdächtige Goldpreis sorgt in der Branche jedoch nicht durchweg für Jubel: Denn viele Privatanleger halten sich derzeit mit dem Kauf von physischen Edelmetallen zurück, in der Hoffnung, dass der Goldpreis pro Feinunze unter die Marke von 2000 Euro zurückkehrt. Zudem stehen Händler und auch Investoren vor der Frage, ob sie in Anbetracht des Goldpreis-Rekords „Kasse machen“ und einen Teil ihrer Bestände abstoßen sollten. Doch daran schließt sich eine Frage an, die leidenschaftliche Numismatiker an ihre Grenzen bringt: Welche historischen Goldmünzen können guten Gewissens in die Schmelze gegeben werden?

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist diese Frage derzeit so drängend wie schon lange nicht mehr. Denn viele Edelmetallhändler führen neben den modernen Anlagemünzen auch historische Goldmünzen im Sortiment und bieten den Ankauf von Altgold an. Sie haben in den letzten Jahren kontinuierlich Bestand aufgebaut und insbesondere Goldmünzen mit numismatischer Bedeutung zurückgelegt. Durch die Goldpreis-Steigerung hat viel Lagerware den Einstandspreis weit hinter sich gelassen – und bevor diese Sachwerte weiter herumliegen und Kapital binden und der Goldpreis möglicherweise bald wieder sinkt, liegt der Entschluss nahe, die Bestände einfach zu liquidieren.

Belgische Goldmünzen zählen zu den Zahlungsmitteln aus der Zeit der Lateinischen Münzunion, die mit einem geringen Aufpreis auf den reinen Goldwert verkauft werden. Foto: Wieschowski.

Belgische Goldmünzen zählen zu den Zahlungsmitteln aus der Zeit der Lateinischen Münzunion, die mit einem geringen Aufpreis auf den reinen Goldwert verkauft werden. Foto: Wieschowski.

Doch welche historischen Goldmünzen können bedenkenlos in die Schmelze gegeben werden – und bei welchen Goldschätzen gehen bedeutende numismatische Werte unwiederbringlich verloren?

Deutsches Kaiserreich

Die Goldmünzen aus dem Deutschen Kaiserreich gehören heutzutage zum Standard-Sortiment der meisten Händler dazu. Denn das Standard-Nominal zu 20 Goldmark, auch als Doppelkrone bezeichnet, war weit verbreitet. Ganz besonders trifft dies auf die Münzen aus Preußen zu, denn das Königreich durfte als größtes und bevölkerungsreichstes Mitglied des Kaiserreiches die Goldmünzen massenhaft prägen.

Bei der Ermittlung der Seltenheit von Goldmünzen aus dem Kaiserreich können sich Sammler und Händler an den unterschiedlichen Bezeichnungen für die Herrschaftsgebiete orientieren, denn sie geben die Größenordnungen und damit auch die Kräfteverhältnisse im Deutschen Reich an: Die vier größten Gliedstaaten Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg waren Königreiche. Die Goldmünzen aus diesen vier Territorien werden in üblicher Umlauferhaltung lediglich mit einem leichten Aufschlag auf den Goldpreis gehandelt.

Es folgten die Großherzogtümer Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg und Sachsen-Weimar-Eisenach. Bereits in dieser Größenordnung wird es für Numismatiker interessant, denn die Großherzogtümer durften nicht in jedem Jahrgang Goldmünzen ausprägen und die Auflagen variieren stark. Noch seltener sind die Goldmünzen aus den Herzogtümern und Fürstentümern sowie aus den Hansestädten Bremen und Lübeck. Die Goldmünzen aus Hamburg bilden hier eine Ausnahme, sie sind normalerweise keine Seltenheiten.

Bei den Goldmünzen aus dem Deutschen Kaiserreich, insbesondere aus Preußen, kommt ein grundsätzlicher Aspekt hinzu, der für die Verwertung als Altgold von Bedeutung ist: Es existieren viele historische Nachprägungen, die zwar den gleichen Goldgehalt wie eine Originalmünze umfassen, aber nicht aus der damaligen Zeit stammen. Diese Nachprägungen sind meist mit bloßem Auge zu erkennen und haben keinen numismatischen Wert. Deshalb enden derzeit viele Wilhelms und Friedrichs aus Preußen in der Schmelze.

Die ersten Sovereign-Jahrgänge sollten nicht als Altgold verwertet werden. Foto: Wieschowski.

Die ersten Sovereign-Jahrgänge sollten nicht als Altgold verwertet werden. Foto: Wieschowski.

Großbritannien (Sovereign)

Seit 1817 hat die Royal Mint aus Großbritannien über eine Milliarde Sovereign-Goldmünzen geprägt. Diese Münzen sind für ihr ikonisches Design bekannt, das auf Benedetto Pistrucci zurückgeht und den heiligen Georg im Kampf mit dem Drachen zeigt – sowie alle britischen Monarchen seit George III. und fünf verschiedene Varianten des Bildnisses von Königin Elisabeth II.

Beim „Aussortieren“ für die Schmelze sind die Sovereign-Exemplare ab 1957 seit der Amtsübernahme der Queen die erste Wahl. Zwar gibt es einzelne Jahrgänge (insbesondere von 2001 bis 2009) mit geringen Auflagen im fünfstelligen Bereich, doch der Aufpreis auf dem Sammlermarkt ist zu vernachlässigen.

Auch die Sovereigns aus der Regierungszeit von George V. (1911 bis 1932) sind Massenware, wenn sie in London geprägt wurden. Einen leichten Aufpreis erzielen die Sovereigns aus den damaligen Zweigstellen der Royal Mint in Australien, Kanada, Indien und Südafrika. Es lohnt jedoch ein Blick in den Katalog: Einzelne Auslandsprägungen haben extrem niedrige Auflagen, beispielsweise die Jahrgänge 1923 und 1924 aus Pretoria (Südafrika).

Bis auf wenige Ausnahmen können Sovereigns auch zum Goldpreis verwertet werden, wenn sie Edward VII (1902–1910) und Queen Victoria (1838–1901) zeigen. Interessanter wird es für Numismatiker bei Wilhelm IV (1831–1837) und George IV (1821–1830) sowie den ersten Sovereigns unter George III (1817–1820).

Schweiz (Vreneli)

Die Schweiz prägte als Teil der Lateinischen Münzunion von 1897 bis 1949 die Vreneli-Handelsmünzen mit einem Nennwert von 20 Franken. Besonders weit verbreitet (und damit numismatisch nur in bester Erhaltung interessant) sind die Jahrgänge 1947 (9,2 Millionen Stück) und 1949 (10 Millionen Stück), außerdem 1922 (rund 2,8 Millionen Stück), 1927 (rund 5 Millionen Stück) und 1930 (rund 3,3 Millionen Stück). Als „Key Date“ mit erhöhtem Marktwert gilt dagegen der Jahrgang 1926 mit einer Auflage von nur 50.000 Stück, zudem bringen die Jahrgänge 1904 bis 1907 einen leichten Aufschlag auf den reinen Metallwert. Alle anderen Jahrgänge haben Prägezahlen im sechsstelligen Bereich und können in besserer Erhaltung einen minimalen Sammler-Zuschlag rechtfertigen, normalerweise aber guten Gewissens eingeschmolzen werden.

Dänemark war Teil einer Münzunion der skandinavischen Staaten, die Goldmünzen erfreuen sich großer Beliebtheit. Foto: Wieschowski.

Dänemark war Teil einer Münzunion der skandinavischen Staaten, die Goldmünzen erfreuen sich großer Beliebtheit. Foto: Wieschowski.

Restliches Europa

Zu den weit verbreiteten Goldmünzen aus Europa aus dem 19. Jahrhundert zählen die Prägungen aus Frankreich, Belgien und Italien im Rahmen der Lateinischen Münzunion. Mit Umlaufspuren bringen insbesondere die Goldmünzen zu 20 Francs beziehungsweise 20 Lira lediglich einen leichten Sammlerwert-Aufschlag und werden derzeit bevorzugt als Schmelzware verwertet.

Albanische Goldmünzen zählen zu den Raritäten, die derzeit in der Schmelze enden – ein fataler Fehler, denn die Münzen sind selten und vor allem in Südosteuropa begehrt. Foto: Wieschowski.

Albanische Goldmünzen zählen zu den Raritäten, die derzeit in der Schmelze enden – ein fataler Fehler, denn die Münzen sind selten und vor allem in Südosteuropa begehrt. Foto: Wieschowski.

Interessanter wird es dagegen bei kleineren LMU-Mitgliedern wie Griechenland oder Ländern, die zwar keine Mitgliedschaft mit der Münzunion eingegangen waren, aber ihre Münzen nach den LMU-Standards prägten. Länder wie Albanien oder Spanien sind bei Goldmünzensammlern begehrt, die Prägungen aus dem 19. Jahrhundert sollten deshalb nach Möglichkeit aufbewahrt werden.

Double-Eagle-Goldmünzen aus den USA wurden in hoher Auflage geprägt – die meisten Jahrgänge können als Altgold verwertet werden. Foto: Wieschowski.

Double-Eagle-Goldmünzen aus den USA wurden in hoher Auflage geprägt – die meisten Jahrgänge können als Altgold verwertet werden. Foto: Wieschowski.

USA

Die Vereinigten Staaten von Amerika haben viele historische Goldmünzen, die weit verbreitet sind, hervorgebracht. So wurde beispielsweise der Double Eagle ($20) von 1849 bis 1907 geprägt. Die meisten Jahrgänge sind weit verbreitet, aber frühe Jahrgänge und einige seltene Ausgaben (z.B. 1849, 1854-S) sind wertvoll.

Besondere Vorsicht ist bei US-Goldmünzen mit Mintmarks der Zweigstellen der United States Mint geboten: Münzen aus Charlotte (C) und Dahlonega (D) sind besonders selten und wertvoll, da diese Prägeanstalten nur eine kurze Zeitspanne aktiv waren. Auch die Goldmünzen aus dem „Wilden Westen“, genauer gesagt aus Carson City (CC), sind bei Sammlern sehr beliebt und oft wertvoll, besonders wenn sie in einem gutem Zustand erhalten sind. Außerdem sind manche Münzen aus San Francisco (S) aus bestimmten Jahrgängen wertvoll, insbesondere frühe Jahrgänge und solche aus der Zeit des Goldrauschs.

Insbesondere bei US-amerikanischen Goldmünzen kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Das Grading-Ergebnis. Als Faustregel lässt sich sagen: Ein gewöhnlicher Jahrgang einer klassischen „type coin“ wie dem 20-Dollar-Doppeladler erzielt erst ab einem Grading im MS-Spektrum („mint state“) einen minimalen Sammler-Aufpreis und richtig interessant wird es erst ab MS65 – nach Angaben des Grading-Dienstleisters NGC gibt es von den Double Eagles „genug Münzen in MS63 und MS64, um die Nachfrage von Typensammlern zu bedienen.“

Goldmünzen aus Brasilien zählen zu den exotischen Goldschätzen – sie haben auch mit Umlaufspuren einen Sammlerwert. Foto: Wieschowski.

Goldmünzen aus Brasilien zählen zu den exotischen Goldschätzen – sie haben auch mit Umlaufspuren einen Sammlerwert. Foto: Wieschowski.

Fazit

Es fällt schwer, für die Auswahl von Goldmünzen für die Altgold-Verwertung eine Faustregel zu entwickeln – denn jede Münze ist ein zeitgeschichtliches Dokument. Allerdings ist Teil der Wahrheit, dass viele Länder ihre Goldmünzen in vergangenen Zeiten in großen Mengen geprägt haben und dadurch Exemplare in Umlauferhaltung keine Seltenheit darstellen. Vorbehaltlich der Einschränkung, dass es immer Ausnahmen von der Regel gibt, lässt sich jedoch folgende grobe Orientierung formulieren:

  • Alle Goldmünzen vor 1800 sollten nur im Ausnahmefall eingeschmolzen werden.
  • Bei Goldmünzen aus dem 19. Jahrhundert ist zu prüfen, ob das Ausgabeland politisch und im Welthandel in der damaligen Zeit eine herausgehobene Rolle gespielt hat (beispielsweise die USA, Großbritannien oder das Deutsche Reich). Goldmünzen aus diesen Ländern erzielen in Umlauferhaltung normalerweise nur einen leichten Aufschlag auf den Goldpreis.
  • Vor dem Einschmelzen von Münzen aus diesen Ländern sind jedoch stets die Ausnahmen und „key dates“ zu prüfen.
  • Goldmünzen aus dem 19. Jahrhundert in besserer Erhaltung (mindestens gutes „vorzüglich“) haben in der Münzschmelze nichts verloren.
  • Vorsicht bei kleinen Ausgabestaaten (beispielsweise die skandinavischen Länder), bei exotischen Regionen (beispielsweise Südamerika) oder bekannten „Trend“-Sammelgebieten (beispielsweise Russland oder Osteuropa).

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