Gründer Roms – Etruskische Schätze aus der Villa Giulia in Hannover
Das Landesmuseum Hannover zeigt Highlights der etruskischen Kultur in Zusammenarbeit mit der römischen Villa Giulia. Im Mittelpunkt steht der leidenschaftliche Antikensammler, Augusto Castellani (1829-1914).
Inhalt
Die Eisenzeit in Italien
In Mittelitalien lebten zur Zeit der Gründung Roms die Etrusker. Ihre hochentwickelte Kultur und weiträumigen Beziehungen trugen nicht nur zur Entstehung der „Ewigen Stadt“ im 1. Jahrtausend v. Chr. bei. Der Einfluss dieses mächtigen antiken Volkes wirkte sogar über 2.000 Jahre später als Vorbild für die Staatsgründung Italiens.
Das WeltenMuseum Hannover präsentiert in Kooperation mit dem Etruskischen Nationalmuseum, der Villa Giulia in Rom, hochkarätige Exponate des Goldschmieds und leidenschaftlichen Antikensammlers Augusto Castellani erstmals in Deutschland. Rund 100 Leihgaben, ergänzt um hauseigene Objekte, geben einen spannenden Einblick in die Welt der Eisenzeit Italiens. Gleichzeitig beleuchtet die Ausstellung die Sammlungspraxis des 19. Jahrhunderts, als die Antike in ganz Europa einen wichtigen Bezugspunkt für Gesellschaft, Politik und Wissenschaft darstellte.
Die Etrusker hatten einen großen Einfluss auf den zentralen Mittelmeerraum; die Entwicklung der Stadt Rom wäre ohne ihr Wirken vermutlich anders verlaufen. Die im Mythos überlieferten Bruder Romulus und Remus führten zur Gründung der Stadt Rom 753 v. Chr. Rituale nach etruskischem Brauch durch. Noch bis ins 5. vorchristliche Jahrhundert stellten die Etrusker die Könige in Rom.
Inspiriert von den Etruskern
Innovativ an dieser Ausstellung ist aber der Blick weit über die Antike hinaus. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Familie Castellani, die ihre Bedeutung vor allem ihrer Tätigkeit als Goldschmiede verdankte. Im Fokus steht die Sammlung des leidenschaftlichen Antikensammlers Augusto Castellani (1829–1914), die erstmals in Deutschland zu sehen ist. Er hat nicht nur eine große private Sammlung aufgebaut, sondern mit großem Erfolg die Funde aus den Friedhöfen der Etrusker auch als Vorbild für seine eigenen Kreationen verwendet.
Die Familie Castellani steht exemplarisch für das aufkommende Interesse an der Antike des Bürgertums im 19. Jahrhundert in ganz Europa. Neben der Freude an der Vergangenheit hatte dies auch einen politischen Hintergrund: Augusto Castellani engagierte sich während der Phase des Risorgimento, der italienischen Nationalbewegung, für die Einigung Italiens mit Rom als Hauptstadt. Römer und Etrusker wurden zum ideellen Vorbild für die Staatsgründung Italiens. Wie in vielen Staaten Europas dieser Zeit diente die ferne Vergangenheit als verbindendes Narrativ für nationale Bestrebungen. In Italien wirkten die Etrusker als Identifikationsfiguren dieser politischen Bewegungen. Daher verwundert es nicht, dass Augusto Castellani seine Antiken dem italienischen Staat vermachte.
Das Entstehen der modernen Archäologie
1871 war nicht nur das Jahr, in dem Rom Hauptstadt des vereinigten Italiens wurde, sondern markiert ebenso den Beginn des deutschen Kaiserreichs. Mit der Begeisterung für die Antike wuchs gleichzeitig das Interesse an der eigenen „vaterländischen“ Vergangenheit. So weiteten in Norddeutschland die Altertumsbegeisterten ihre Sammlungs- und Forschungstätigkeit auf die Region aus und legten damit den Grundstein für die archäologische Sammlung des heutigen Landesmuseums Hannover. In der Ausstellung treten die Objekte aus Italien mit der nordwestdeutschen Eisenzeit in den Dialog. Dieser Kontrast illustriert, wie unterschiedlich die Lebenswelten in den einzelnen Regionen Europas waren, dabei aber gleichzeitig weiträumige Beziehungsgeflechte im prähistorischen Europa nachweisbar sind.
Im 19. Jahrhundert galt das Interesse der Ausgräber in erster Linie ästhetisch eindrucksvollen, hervorragend erhaltenen Objekten. Es herrschte ein reger Handel mit antiken Objekten. Bestimmungen zum Denkmalschutz, altertumswissenschaftliche Konzepte und zunehmend professionalisierte Altertumswissenschaften bildeten sich erst mit der Zeit heraus. Heute liegt die Bedeutung der Funde vor allem im Kontext. Auch Scherben und andere fragmentarische Objekte können viel über die Vergangenheit erzählen. So thematisiert die Ausstellung gleichzeitig das Entstehen der modernen Archäologie.
Die Sammlung Castellani
Die Sammlung Castellani umfasst mehr als 6.000 Objekte und wird im Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia verwahrt. Die Ausstellung in Hannover zeigt besonders herausragende Exponate und würdigt die bedeutende Sammlung erstmals außerhalb Italiens. Die aus Rom geliehenen Stücke werden um Objekte aus der archäologischen Sammlung des Landesmuseums Hannover sowie durch weitere Leihgaben ergänzt. Sie repräsentieren die Sammlungspraxis der Bürger*innen Hannovers und den europäischen Zeitgeist. Ergänzt wird die Schau durch den Nachbau einer etruskischen Grabkammer, der Tomba Francois aus Vulci (4. Jahrhundert v. Chr.). Berühmt ist sie wegen ihrer gut erhaltenen und sehr qualitätvollen Fresken.
Die Ausstellung „Gründer Roms – Etruskische Schätze aus der Villa Giulia“ ist im Landesmuseum Hannover vom 15. März bis zum 1. September 2024 zu sehen.