Historische Münzstätten – MünzenMarkt 45
Von Ursula Kampmann
Es gibt Menschen, für die kommt der Strom aus der Steckdose und das Kleingeld vom Bankschalter. Und dann gibt es Menschen, die wollen genau wissen, wie der Strom entsteht und die Münze geprägt wird. Ich gebe zu, ich gehöre zu den letzteren. Für mich gibt es nichts Faszinierenderes, als mir erklären zu lassen, mit welch handwerklichen Höchstleistungen bestimmte Features im Münzbild umgesetzt werden.
Wer weiß, mit welchen Herausforderungen die Techniker in unseren Münzstätten zu kämpfen haben, der steht gelegentlich sprachlos vor dem Können unserer Vorfahren, die ohne all diese technischen Hilfsmittel Münzen von großer Schönheit prägten. Wenn ich ein fantastisches Relief oder eine detaillierte Stadtansicht auf einer historischen Münze sehe, dann möchte ich wissen, wie sie das geschafft haben, welche Maschinen sie dafür benutzten. Kein Wunder, dass es mich in jedes technische Museum zieht, in dem die Münzprägung irgendwie thematisiert wird.
Dieses Heft gibt Ihnen einen kleinen Einblick, was man alles lernen kann, wenn man sich nicht nur die Münzen ansieht, sondern auch die Geräte, mit denen sie geprägt wurden. Vielleicht sind Sie auch – wie ich – beeindruckt davon, was für ein enormer logistischer Aufwand betrieben werden musste, damit die Münzen entstehen konnten, die wir heute sammeln. Nehmen wir nur eine einzige Zahl aus dem Beitrag über das Bergwerk und die Münzstätte von Melle, die mich immer fasziniert hat: Um Silber für die Prägung von 12 karolingischen Denaren zu gewinnen, braucht es 1.140 Kilogramm Holz. Wieviel das ist? Nun eine Fichte von 25 Metern mit einem durchschnittlichen Stammdurchmesser von 40 cm liefert 3,14 Kubikmeter Holz. Ein Kubikmeter Fichtenholz wiegt 470 Kilogramm. Für 12 karolingische Denare musste also eine Fichte gefällt werden, die rund 30 Jahre gebraucht hatte, um so groß zu werden. Können Sie sich vorstellen, wie schnell die Wälder um Melle verschwanden? Und was für ein Aufwand es war, das notwendige Holz zum Bergwerk zu transportieren? Denken Sie daran: Mit den Römern verfielen die Straßen – und im Mittelalter blieben nur die Flüsse als sichere Verkehrswege.
Das Problem des Holzes war übrigens bis ins 19. Jahrhundert eine Konstante. Erst die Eisenbahn und die Kohle, die mit ihr günstig an jeden beliebigen Ort transportiert werden konnte, lösten dieses logistische Problem. Aber da sind wir schon bei den industrialisierten Münzstätten des 19. Jahrhunderts. Mit ihnen demonstrierten die Staaten, wie modern sie waren und dass ihnen Effizienz und Hochleistungstechnik am Herzen lagen. Deshalb gehörte es im 19. Jahrhundert zum guten Ton, dass man es dem staunenden Bürger ermöglichte, seine Münzstätte zu besuchen.
Heute sind die meisten Münzstätten ein streng abgeschlossener Hochsicherheitstrakt, in den nur das Personal und selten Fachbesucher eindringen dürfen. Dafür bieten die meisten auf ihren Websites interessante Einblicke in ihre Arbeit an. Und einige wenige wie die Royal Mint, die Japan Mint oder die Royal Australian Mint haben Besucherzentren gebaut, in denen das Publikum einen Blick in die Münzprägesäle werfen kann. Wenn Sie die Gelegenheit haben, dort einmal vorbeizuschauen, tun Sie es. Dann wissen auch Sie, woher das Kleingeld in unseren Geldbeuteln wirklich kommt.