Wissenschaftler analysieren den Mythos vom riesigen illegalen Antikenhandel
Der illegale Handel mit Kulturgütern ist der drittgrößte illegale Handel der Welt. Das liest man immer wieder. Eine umfangreiche Studie zeigt jetzt auf, wie es zu dieser Unwahrheit gekommen ist – und wie wir das Thema illegaler Antikenhandel wirklich angehen müssten.
Zu der Frage nach dem wirklichen Umfang des illegalen Handels mit Kulturgütern gibt es regelmäßig neue Studien und Gegenstudien. In der Regel behaupten diejenigen, denen die Ergebnisse nicht gefallen dann, die jeweilige Studie sei ideologisch manipuliert.
Donna Yates und Neil Brodie, zwei renommierte Forscher auf dem Gebiet des Kulturgüterschutzes und Antikenhandels, haben sich nun an das Thema gewagt.
Donna Yates ist Associate Professor am Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Maastricht. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit dem internationalen Handel von Kulturgütern, Kunstobjekten und Verbrechen im Bereich Kulturgutschutz.
Neil Brodie ist Archäologe an der Universität Oxford und unter anderem Experte bei der Initiative gegen transnationales organisiertes Verbrechen.
Yates und Brodie haben in ihrer Studie „The illicit trade in antiquities is not the world’s third-largest illicit trade: a critical evaluation of a factoid“ (Der illegale Handel mit Altertümern ist nicht der drittgrößte illegale Handel der Welt: eine kritische Evaluation einer vermeintlichen Tatsache) Artikel und Publikationen der Tages- und Fachpresse sowie anderer Dokumente aus den vergangenen fünfzig Jahren untersucht. Ihr Ergebnis: Die häufig zitierten Zahlen und vermeintlichen Fakten stützen sich nicht auf belastbare Studien, sondern auf frühere Publikationen, die ihrerseits unkritisch aus älteren Texten zitieren. Die Autoren sprechen in dem Zusammenhang von „Zombie-Statistiken“ und betonen: Diese Behauptung ist nicht wahr. Die Wiederholung und politische Instrumentalisierung solcher vermeintlicher Fakten untergrabe ernsthafte Versuche, Plünderung und illegalen Handel zu unterbinden.
Die Studie wurde in der Oxford University Press im Juni 2023 als Open-Access-Publikation veröffentlicht, ist also frei für jeden zugänglich.