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Frankreichs Geschichte in Münzen – Teil 2: Von der Zweiten Republik zum Zweiten Kaiserreich

von Aila de la Rive, mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseums

Im Rahmen der Serie „Frankreichs Geschichte in Münzen“ blicken wir auf verschiedene Phasen der französischen Geschichte und präsentieren die Münzen an Banknoten dieser Zeit. Nachdem wir letztes Mal durch das Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts gestreift sind, führt uns die Reise heute in das 19. Jahrhundert – von der Zweiten Republik zum Zweiten Kaiserreich.

Inhalt

Horace Vernet, Barrikadenkampf in der Rue Soufflot, Paris, 25. Juni 1848 (Juniaufstand).

Horace Vernet, Barrikadenkampf in der Rue Soufflot, Paris, 25. Juni 1848 (Juniaufstand).

Von der Zweiten Republik zum Zweiten Kaiserreich

Die Industrialisierung und die Modernisierung der Landwirtschaft führen im 19. Jahrhundert zu tiefgreifenden sozialen Veränderungen. Überall in Europa treiben Hunger und Armut die Menschen vom Land in die Städte. Paris – um 1850 bereits eine Millionenstadt und damit eine der größten Metropolen Europas – muss besonders viele Neuankömmlinge aufnehmen. Die Menschen drängen sich in einem fast undurchdringlichen Gewirr von Buden und Mietskasernen in der Altstadt; viele Zimmer werden in Schichten bewohnt.

Unter der Last dieser Bevölkerungsmassen brechen die städtischen Einrichtungen zusammen. Immer neue Cholera-Epidemien fordern Zehntausende von Opfern; Ursache der Seuchen ist das verschmutzte Trinkwasser der Seine. Die Unzufriedenheit – nicht nur der armen Bevölkerung – wächst.

So sind Aufstände und Revolutionen in Paris an der Tagesordnung: Seit 1827 sind in der Stadt achtmal Barrikaden erbaut worden; dreimal bilden sie das Vorspiel für eine Revolution. Im Jahre 1848 gehen Massen von Handwerkern, Arbeiterinnen und Studenten erneut auf die Straße, um Reformen und eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse zu fordern. Als Regierungstruppen auf die Demonstrierenden schießen, nimmt der Aufstand allgemeinen Charakter an. In Paris werden 2.000 Barrikaden erbaut; alle Kasernen und Waffenarsenale der Stadt fallen in die Hände der Aufständischen. Der König, Louis Philipp I. (1830–1848), flieht aus Paris; sein Thron wird auf einem Pariser Platz öffentlich verbrannt. Am 24. Februar wird die Zweite Französische Republik ausgerufen.

Bereits einige Monate später wird in Frankreich gewählt. Dank der Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts – den Französinnen wird dieses Recht erst im Jahre 1944 zugestanden – klettert die Zahl der Stimmberechtigten von 250.000 Personen auf über neun Millionen. Mit einer Wahlbeteiligung von über 80 Prozent wählen diese Franzosen im Dezember 1848 Louis Bonaparte, den Neffen Napoleon Bonapartes, zum Präsidenten der Republik. Louis Bonaparte (1848–1870) erweist sich als Kuckucksei im republikanischen Nest: Er tritt in die Fußstapfen seines Onkels. 1851 inszeniert er einen Staatsstreich und lässt sich zum Präsidenten auf Lebenszeit machen; genau ein Jahr später lässt er sich nach einer Volksabstimmung als Napoleon III. zum Kaiser der Franzosen ausrufen. An die Stelle der Zweiten Republik tritt das Zweite Kaiserreich.

Die Münzen der Zweiten Republik und des Zweiten Kaiserreichs

Im 19. Jahrhundert verstärkt sich in Europa die schon im 18. Jahrhundert bestehende Tendenz zum Papiergeld; Münzen treten immer mehr in den Hintergrund. In Frankreich werden die Geldscheine der Banque de France zum gesetzlichen Zahlungsmittel. Aber während der Revolution von 1848 verlieren sie ihre Konvertibilität: Es ist einfach nicht genug Gold in den Staatskassen – und Konvertibilität heißt ja nichts anderes, als dass sich die Regierung verpflichtet, das umlaufende Papiergeld jederzeit zu einem festgesetzten Preis in Gold umzutauschen. Zu diesem Zweck wird von den Zentral- oder Staatsbanken immer ein fester Bestand an Goldreserven unterhalten.

Königreich Frankreich. Karl X. (1824-1830). 40 Franc, 1828, Paris. Gold. Aus Gorny & Mosch, Auktion 171 (2008), Los 4630.

Königreich Frankreich. Karl X. (1824-1830). 40 Franc, 1828, Paris. Gold. Aus Gorny & Mosch, Auktion 171 (2008), Los 4630.

Im Namen der Zweiten Republik werden zwar neue Münzen geprägt, aber die Menschen horten sie und fast alles umlaufende Geld besteht aus Banknoten. Die Münzen selber ändern sich und spiegeln die geschichtliche Entwicklung wider. Unter Ludwig XVIII. und seinem Nachfolger Karl X. (1824–1830) zeigen ihre Rückseiten das alte Wappen der Bourbonen. Das abgebildete 40-Franc-Stück von Karl X. repräsentiert zu seiner Zeit übrigens einen ganz beträchtlichen Wert, wie ein Vergleich mit den Steuern der damaligen Wahlberechtigten zeigt: Wahlberechtigt ist im Frankreich der Restauration nämlich nur, wer jährlich mindestens 300 Franc direkte Steuern entrichtet. Bei einer Gesamtbevölkerung von fast 30 Millionen Menschen verfügen nur um die 100.000 Männer über dieses Privileg. Das Bürgertum fordert eine Herabsetzung dieses hohen Wahlzensus und die Verbreiterung des Wählerkreises; darauf antwortet der Minister Guillaume Guizot (*1787, †1874): „Eine Reform wird es nicht geben. Bereichert euch, und ihr werdet wahlberechtigt sein.“

Als Karl X. im Juli 1830 das Parlament auflöst, das Wahlgesetz weiter verschärft – es können jetzt fast nur noch Großgrundbesitzer wählen – und die Pressezensur erweitert, bricht die Pariser Julirevolution aus. Karl muss fliehen, Louis Philipp aus einer bourbonischen Nebenlinie wird zum König berufen (1830–1848). Der Wahlzensus wird auf 200 Franken herabgesetzt, doch beträgt dadurch die Zahl der wahlfähigen Franzosen immer noch weniger als eine halbe Million Männer. Die kleinen Besitzer, die Handwerker, Bauern und Arbeiter – und die Frauen – sind von allen politischen Rechten ausgeschlossen. Im Jahre 1846 setzt eine Agrar- und Wirtschaftskrise ein: Zwei schlechte Getreideernten führen zu Versorgungsengpässen und zu einer Erhöhung des Getreidepreises von 17 Franc pro Hektoliter im Jahre 1845 auf 43 Franc im folgenden Jahr. Die Industrieproduktion geht zurück, die Löhne sinken, die Arbeitslosigkeit steigt – in einzelnen Regionen wie der Normandie oder der Champagne auf bis zu 35 Prozent. Im ganzen Land kommt es zu Aufständen; das Bürgertum versucht, die Krise zu nutzen, um endlich eine Herabsetzung des Wahlzensus zu erreichen. Im Februar 1848 erzwingen Massendemonstrationen und Straßenkämpfe die Abdankung des Königs.

Königreich Frankreich. Louis Philippe (1830-1848). 2 Franc, 1848, Paris. Aus Künker, Auktion 254 (2014), Los 2132.

Königreich Frankreich. Louis Philippe (1830-1848). 2 Franc, 1848, Paris. Aus Künker, Auktion 254 (2014), Los 2132.

Unter Louis Philippe tragen die Münzen auf der Rückseite lediglich einen Eichenkranz mit nüchterner Wertangabe; das abgebildete 2-Franc-Stück entspricht übrigens etwa dem durchschnittlichen Tageslohn eines Pariser Fabrikarbeiters. Eines Arbeiters, wohlgemerkt, denn Frauen verdienen an einem Tag lediglich 60 Centime für die gleiche Arbeit, Kinder werden mit 53 Centime pro Tag entlöhnt. Das Brot jedoch kostet für alle gleich viel, nämlich rund 40 Centime pro Kilo.

Zweite Republik Frankreich (1848-1852). 1 Centime, 1850, Paris. Aus Künker eLive Auction 46 (2017), Los 514.

Zweite Republik Frankreich (1848-1852). 1 Centime, 1850, Paris. Aus Künker eLive Auction 46 (2017), Los 514.

Nach der Revolution von 1848 und der Absetzung des Königs kehrt man zu der bekannten Herkulesgruppe und zu anderen Freiheitsdarstellungen zurück. Die so genannte phrygische Mütze auf dem abgebildeten Centime ist ein solches, uraltes Freiheitssymbol. Bereits während der Revolution von 1789 haben Französinnen und Franzosen begonnen, rote Freiheitsmützen zu tragen. Diese Mode stammt ursprünglich aus dem antiken Phrygien in Kleinasien, wo freigelassene Sklaven solche nach vorn abgeknickten Mützen trugen. Die Freiheitsmütze erscheint auf Münzen verschiedener Länder: Neben den französischen zeigen auch US-amerikanische Münzen die phrygische Mütze.

Der französische Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi ließ sich seinen Entwurf der Freiheitsstatue 1879 in den USA patentieren.

Der französische Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi ließ sich seinen Entwurf der Freiheitsstatue 1879 in den USA patentieren.

Es gibt allerdings auch Republikaner, denen die Freiheitsmütze zu revolutionär ist und die der Meinung sind, das Sinnbild einer legitimen und friedliebenden Republik müsse eine klassischere Kopfbedeckung tragen – beispielsweise einen Lorbeerkranz. Diese Idee setzt sich zwar nicht durch, doch verdanken wir ihr einige Kreationen, die heute noch existieren, so die Sonnenkrone der amerikanischen Freiheitsstatue, die der französische Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi (*1834, †1904) entworfen hat.

Zweite Republik Frankreich (1848-1852). 5 Franc, 1850, Paris. Aus Künker Auktion 296 (2017), Los 1559.

Zweite Republik Frankreich (1848-1852). 5 Franc, 1850, Paris. Aus Künker Auktion 296 (2017), Los 1559.

Ob nun Freiheitsmütze oder Lorbeerkranz: Der Rückgriff auf die Antike erfolgt unausweichlich. Die italische Göttin Ceres, die auf dem 5-Franc-Stück von 1850 abgebildet ist, trägt einen äußerst aufwändigen Blatt-, Blumen- und Ährenkranz. Ceres wurde schon im 5. Jahrhundert v.Chr. auf Münzen dargestellt; damals wie heute stand die Göttin für das Wachstum der Pflanzen und die Fruchtbarkeit des Landes. Als Legende erscheint auf der Rückseite das Motto der Revolution: „LIBERTE EGALITE FRATERNITE“ (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit).

In der nächsten Folge lesen Sie über die wirtschaftliche Blüte des Zweiten Kaiserreiches und die Gründung der Lateinischen Münzunion in Paris.

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