International Conference on Islamic Numismatics
von Ursula Kampmann
Die islamische Numismatik hat ein Problem – zumindest im Westen. Immer weniger Wissenschaftler spezialisieren sich darauf. Das hat einen guten Grund. Die Arbeitsmöglichkeiten sind in diesem Bereich wesentlich schlechter als in allen anderen Sparten der Numismatik. In vielen bedeutenden Institutionen hat man nämlich die Kuratoren, die sich mit arabischen Münzen beschäftigten, durch Spezialisten in Sachen römischer Numismatik ersetzt. Das liegt im Westen historisch gesehen natürlich viel näher, doch trägt es nicht der Tatsache Rechnung, dass arabische Münzen gerade im Frühmittelalter einen Hauptteil der Hortfunde darstellen. Auf der schwedischen Insel Gotland zum Beispiel wurden bis heute 68.000(!) islamische Münzen gefunden. Und trotzdem gibt es unter den schwedischen Numismatikern niemanden, der sich auf die Bestimmung dieser Stücke spezialisiert hat.
Inhalt
Ein einsamer Leuchtturm bleibt da die Forschungsstelle für Numismatik in Tübingen (FINT), wo dank der charismatischen Persönlichkeit von Lutz Ilisch nicht nur sein Institut und seine Stelle erhalten blieb und mit Sebastian Hanstein neu besetzt wurde, sondern wo sich viele junge Islamwissenschaftler aus aller Welt den numismatischen Virus eingefangen (und hervorragend Deutsch sprechen gelernt) haben.
Auf der arabischen Halbinsel und in anderen islamischen Ländern hat sich dagegen in den letzten Jahren ein großes Interesse an der eigenen Münzprägung entwickelt. Vor allem im Department of Islamic Archaeology der Fayoum University wurden in den letzten Jahren unter Dr. Atef Mansour Ramadan zahlreiche vielversprechende Wissenschaftler ausgebildet. Aber auch an anderen Universitäten beschäftigen sich viele Professoren mit Münzen. Schließlich sind diese eine der besten Quellen zur Erforschung der arabischen Geschichte.
Es gibt außerdem in der arabischen Welt viele hoch interessierte Sammler, die sich für islamische Münzen begeistern können.
Last but not least existiert in Riad die saudi-arabische Museumskommission. Und die versammelte vom 18. bis zum 20. Mai 2023 erstmals Spezialisten aus Ost und West zu einer großen Internationalen Konferenz zur Islamischen Numismatik (ICIN).
Ein beeindruckendes Aufgebot an Spezialisten
Es würde an dieser Stelle wohl wenig bringen, all die Teilnehmer der Konferenz aufzulisten, denn leider kennt der durchschnittliche Münzbegeisterte selbst die Namen der bedeutendsten Kenner in diesem Bereich eher nicht. Ersparen wir uns also eine lange Namensliste und sprechen stattdessen davon, aus welchen Ländern die Teilnehmer kamen: Jeweils sieben Personen stammten aus Ägypten und Deutschland, wo sich, wie wir vorher erwähnt haben, die aktuellen Zentren der Forschung zu islamischen Münzen befinden. Sechs Redner und dazu natürlich die Organisatoren kamen aus Saudi Arabien. Es folgte mit zwei Vertretern Spanien, und dann mit je einem Armenien, Italien, Großbritannien, Liechtenstein, Pakistan, Polen, Schweden, die Schweiz und die Vereinigten Emirate. Mit anderen Worten: die 30 Referenten und Moderatoren kamen aus 13 Nationen! Das kann man wirklich international nennen.
Der Rahmen
Wohl noch nie hat eine numismatische Konferenz in einem vergleichbaren Rahmen stattgefunden. Die Museumskommission hatte Räumlichkeiten im Konferenzzentrum des King Abdullah Financial Districts (KAFD) in Riad gebucht. Wer westliche Standards in Sachen Numismatik gewohnt ist, konnte nur staunen über die prachtvolle Atmosphäre. Neben dem gigantischen Vortragssaal gab es eine Speakers Launch, eine VIP Launch und einen Ausstellungsbereich. Dutzende von fleißigen Helfern arbeiteten buchstäblich Tag und Nacht, um alles rechtzeitig fertig zu bekommen. Selbst an ein Souvenir – und ich spreche dabei nicht von dem liebevoll ausgewählten Geschenk, das alle Sprecher erhielten – war gedacht: Besucher konnten sich fotografieren lassen, und erhielten ihr Bild in einem eigens für diesen Anlass entworfenen Design.
Die Anmeldung war für die Besucher übrigens kostenlos, was zur Folge hatte, dass alle 300 Plätze sofort vergeben wurden. Nicht alle Angemeldeten kamen, aber zahlreiche Sammler nahmen zum Teil sehr weite Wege auf sich, um an diesem numismatischen Großevent dabei zu sein.
Das Sprachproblem
Gleich zu Beginn zeigte sich das grundlegende Problem, das die islamische Forschung hat: Nur eine einzige Sprecherin aus dem Westen, Arianna d’Ottone, war in der Lage, von ihrer eigenen Muttersprache bzw. dem Englischen ins Arabische zu wechseln. Ähnlich sah es bei vielen älteren Professoren der arabischen Halbinsel aus. Kaum einer von ihnen sprach genug Englisch, um in dieser Sprache diskutieren zu wollen. Ihre jüngeren Kollegen taten ihr Bestes, um zwischen den Anwesenden zu dolmetschen, aber natürlich kam es trotzdem immer wieder zu Missverständnissen oder Unklarheiten.
Diese Sprachbarriere hat erhebliche Auswirkungen auf die Forschung. Teilweise gewann man als unbedarfter Zuhörer den Eindruck, als seien die Fragestellungen völlig unterschiedlich, je nachdem ob ein Angehöriger der arabischen oder der westlichen Welt sprach. Auch wenn es nach jedem Vortrag viele Bemerkungen gab, kam selten eine echte Diskussion in Gang. Hochwissenschaftlich ausgedrückt: Es wurden zwei völlig unterschiedliche Diskurse geführt, als gäbe es zwei parallele Systeme der islamischen Numismatik.
Arabische Gastfreundschaft
Das Wichtigste bei einer Konferenz, das sagen Ihnen alle regelmäßigen Konferenzbesucher, sind eigentlich nicht die Vorträge, sondern das, was in den Pausen und während der Abendessen geschieht. Beim entspannten Zusammensein werden im engagierten Gespräch fachliche Fragen auf höchstem Niveau genauso diskutiert, wie die kleinen Probleme des Alltags. Kongresspausen, Ausflüge und gemeinsame Essen sind elementar für das Entstehen jenes engen Verbindungsnetzes, das Forscher brauchen, um effektiv zusammenarbeiten zu können. Email-Adressen werden ausgetauscht, Fotos (natürlich von Münzen!) hin und hergeschickt, Pläne geschmiedet! (Ja, Alberto und Dorota, ich finde Eure Idee eines internationalen Austauschs von jungen Studenten, die sich für die islamische Numismatik interessieren, einfach nur hervorragend! Und ja, ich könnte mich wie viele andere Teilnehmer sofort für eine Islamische Numismatische Gesellschaft begeistern.)
Der Rahmen, den die Museumskommission für all diese Kontaktaufnahmen schuf, hätte wunderbarer nicht sein können. Vor allem das Gala Dinner entführte uns in die Welt von 1001 Nacht mit arabischer Musik, köstlichen Spezialitäten, einer wunderbaren Szenerie unter dem Nachthimmel von Riad. Kurz, es war unvergesslich für alle, die dabei waren.
Eines vor allem hat mich tief beeindruckt, und das hatte nicht das Mindeste mit Numismatik zu tun: Während ich mich vor allem in den USA immer darüber ärgere, wie achtlos da mit Nahrungsmitteln von Buffets umgegangen wird, wurde in Riad trotz aller Großzügigkeit nichts vergeudet. Nachdem Sprecher, Kongressteilnehmer und Organisatoren gegessen hatten, kamen alle anderen. Es kamen diejenigen, die Stühle hin und hergeschleppt, die Sicherheit garantiert, die Autos gefahren, die Toiletten gesäubert, die Sprecher bedient, das Essen gekocht und unzählige andere Tätigkeiten ausgeübt hatten. Sie alle sättigten sich an den Resten des Buffets, und ich gehe davon aus, dass sie all das, was sie selbst von diesen Köstlichkeiten nicht essen konnten, für ihre Familien mit heim nahmen.
Dieses Vorgehen erinnerte mich an etwas, das ich einmal in der Türkei gelernt hatte. Als ich mich dort einmal darüber wunderte, dass mein Gastgeber viel zu viel für uns beide bestellte, erzählte er mir, dass das in der Türkei Sitte sei, weil früher alles, was vom Essen der Reichen übergeblieben sei, an die Armen verteilt wurde. In Riad ist dieser schöne Brauch in einer modernisierten Form anscheinend immer noch existent.
Die große Leistung der saudi-arabischen Museumskommission
Jeder Anwesende, so glaube ich, nahm eine reiche Palette von neuen Eindrücken mit nach Hause. Sie werden, langsam, langsam, und vielleicht nicht sofort merkbar, die islamische Numismatik ein wenig verändern. Vielleicht werden die Numismatiker aus dem Westen mit denen aus Arabien ein wenig enger zusammenwachsen und öfter miteinander zusammenarbeiten.
Es ist auf jeden Fall der saudi-arabischen Museumskommission hoch anzurechnen, dass sie erstmals diese beiden Gruppen in einen Raum gebracht und durch zwei Simultanübersetzer dafür gesorgt hat, dass sich alle mit den Vorträgen aller auseinandersetzen mussten. Majed Alotaibi, dessen Begeisterung für die Numismatik und dessen Energie es zu danken ist, dass sich die Museumskommission entschied, diesen Kongress durchzuführen, hat die islamische Numismatik allein dadurch entscheidend weitergebracht, indem er ein Podium initiierte, auf dem sich die verschiedenen Protagonisten kennenlernen konnten.
Natürlich sind nach drei Tagen keine Wunder zu erwarten, aber vielleicht wird es ja weitergehen.
Hoffnung auf eine Zweite Internationale Konferenz zur Islamischen Numismatik
Die Akten dieses Kongresses sollen publiziert, die Aufnahmen, die von den Vorträgen gemacht wurden, auf dem Internet zur Verfügung gestellt werden. Und etwas anderes war ebenfalls interessant. Ganz unbemerkt veränderte sich während des Kongresses, wie die Teilnehmer über ihn sprachen. War es zu Beginn die „Internationale Konferenz zur Islamischen Numismatik“ wurde es spätestens Ende des zweiten Tages die „Erste Internationale Konferenz zur Islamischen Numismatik“. Nun verlangt eine „Erste Internationale Konferenz“ die Fortsetzung in einer „Zweiten Internationalen Konferenz“. Die Teilnehmer jedenfalls stünden für eine Fortsetzung sofort zur Verfügung.
Gesucht: Ein Patron der islamischen Numismatik
Eines nämlich hat die islamische Numismatik bis heute nicht gefunden: einen Patron, ein Land, das sich dieses so zentralen Forschungszweigs annimmt. Nun ist die islamische Numismatik nun einmal auf der arabischen Halbinsel zu Hause. Viele historische Details sind nur über die Münzen zu erschließen. Aktuell sind viele Staaten der arabischen Welt damit beschäftigt, gewaltige Münzsammlungen zusammenzutragen und sie in Museen oder auf Websites der internationalen Welt zur Verfügung zu stellen. Viel wichtiger aber wäre es, der Forschung eine Heimstätte zu geben. Es bräuchte einen Gastgeber für regelmäßige Konferenzen, einen Geldgeber für ein Forschungsinstitut, das Nachwuchs aus Ost UND West ausbildet, und das regelmäßig eine Sommerschule veranstaltet, wo sich junge Numismatiker aus aller Welt kennenlernen können, um in der Zukunft die beiden Welten der islamischen Numismatik enger zueinander zu führen, und um sie irgendwann zu einer zu verbinden.
Brückenbauen eben!
Und überall, wo Brücken gebaut werden, dort bietet die MünzenWoche gerne ihre Unterstützung an.