Der Unterschied zwischen Briefmarken und Münzen: Nicht so trivial wie man denkt!
von Ursula Kampmann
Es gab einmal eine Zeit, in der unzählige Menschen frisch gedruckte Briefmarken kauften, um sie in ihre Sammelalben zu stecken. Ich spreche von den 1970er Jahren. Damals bot der Sammlermarkt für Briefmarken ein hervorragendes Geschäftsfeld, an dem sich wunderbar verdienen ließ.
Inhalt
Wir alle wissen, dass in den 1970er Jahren das Sammeln aus Zwecken der Investition zum Volkssport wurde. Denn nicht nur Briefmarken fanden reißenden Absatz, sondern auch Gedenkmünzen, und zwar vor allem kursfähige Umlaufgedenkmünzen. Doch weil die staatlichen Münzstätten nicht hinterher kamen, genügend Gedenkmünzen auszugeben, sprangen immer mehr private Unternehmer auf den Zug. Sie ließen das herstellen, was heute als Non Circulating Legal Tender bezeichnet wird. Ihre bevorzugte Zielgruppe waren – genau wie bei den Briefmarken aus Angola oder von den Fiji Inseln – Menschen, die eigentlich nicht so genau wussten, was sie taten. Denn dass beim Verkauf vieler überteuert angebotener Sammelobjekte ein großer finanzieller Verlust drohte, das war für jeden Fachmann absehbar.
Die Tauchfahrt der modernen Sammelprodukte in den 1980er Jahren
Und das passierte auch. Ein Rückgang der Inflation in Kombination mit fallenden Edelmetallpreisen und einer boomenden Wirtschaft machte es wieder attraktiv, sein Geld auf die Bank zu tragen oder in Aktien zu investieren. Münz- und Briefmarkensammlungen wurden verkauft – sehr zur Überraschung einiger ihrer Besitzer mit hohem Verlust. Nicht zur Überraschung der echten Sammler. Sie wussten, was die im Übermaß herausgegebenen Sammelprodukte wert waren: Material- resp. Nominalwert. Und da ging es den Münzsammlern noch ein bisschen besser als den Briefmarkensammlern: Immerhin hatten selbst Non Circulating Legal Tender Münzen einen (wenn auch geringen) Materialwert. Wer so schlau gewesen war, auf zirkulierende Gedenkmünzen zu setzen, sogar den Nominalwert.
Glaubwürdigkeitsverlust der Briefmarke
Briefmarken waren dagegen aus Papier und deshalb praktisch unverkäuflich. Deshalb haben moderne Gedenkmünzen ein besseres Image als moderne Briefmarken. Das sieht man daran, dass die zeitgenössischen Briefmarken vom aktuellen Sammlerhype nicht im geringsten profitieren.
Werden die heute produzierten Gedenkmünzen nach dem Boom ihre Glaubwürdigkeit behalten?
Und jetzt wird es unangenehm, denn wer noch kein Ende eines Booms erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, dass auch der schönste Boom irgendwann zu Ende geht. Mit anderen Worten: Die Münzindustrie muss sich darauf einstellen, dass der Run auf ihre Produkte irgendwann enden wird. Sobald die Aktienkurse wieder in die Höhe gehen, die Angst vor der Inflation beseitigt ist, das Leben sich in seinen gewohnten Bahnen bewegt, wird die Gedenkmünze als Investitionsobjekt enorm an Attraktivität verlieren. Ich gehe aktuell davon aus, dass von 10 Käufern zeitgenössischer Gedenkmünzen höchstens einer noch Sammler im klassischen Sinne ist. Mit anderen Worten, es kann gut sein, dass mit dem Ende des Booms die Verkäufe auf ein Zehntel zusammenbrechen.
Wann das sein wird, weiß niemand. Es kann genauso gut in einem Monat wie in fünf Jahren sein. Nur eines ist klar: Ewig hat in der gesamten Geschichte noch kein Boom gedauert.
Sammler versus Investor
Was wird nach dem Ende des Booms passieren? Das kann man eigentlich relativ gut vorhersagen, wenn man sich am Modell des Münzcrashs der 1980er Jahre orientiert. Einen über ihren Nominalwert hinausgehenden Wert behielten nur die Gedenkmünzen, für die es einen Sammlermarkt – von Münzstätten gerne „Zweitmarkt“ genannt – gab, der klar vom Investorenmarkt zu unterscheiden ist.
Im Gegensatz zum Investor und den vielen anderen „Kunden“ der Münzstätten, die mit forschem Marketing angelockt werden müssen, ist der Sammler ein Mensch, der sich ausschließlich aus intrinsischen Gründen mit Münzen beschäftigt. Um einen Sammler zu begeistern, braucht es keine Werbung, sondern Information. Sammler sind die Menschen, die Münzen kaufen, ohne gleich ihren Wiederverkaufswert im Sinn zu haben. Kurz, ein Sammler wird der Münze auch dann treu bleiben, wenn die Investoren schon längst abgesprungen sind.
Das Beispiel russische Olympia-Münzen
Ein hervorragendes Beispiel für den Unterschied zwischen Investoren- und Sammlermarkt, sind die umfangreichen Münzsätze, die anlässlich der Olympischen Spiele von Moskau im Jahr 1980 herausgegeben und vor allem im Ausland verkauft wurden. Wer nach der Olympiade seinen Münzsatz verkaufen wollte, musste Werteinbußen von mehr als 90% hinnehmen. Keine Reklame für die Gedenkmünze als Anlage!
Doch dann fiel 1989 der Eiserne Vorhang. Es dauerte ein paar Jahre, aber Mitte der 1990er Jahre drängten die russischen Münzsammler auf den Markt. Der Markt für russische Münzen erlebte einen Boom, wie es ihn noch nie zuvor gegeben hat. Im Windschatten dessen wurden auch Olympiamünzen in einigen Auktionen angeboten – und fanden reißenden Absatz. Russische Sammler kauften die Gedenkmünzen, die dem Schmelztiegel entgangen waren, zu einem Mehrfachen des Ausgabepreises auf. Wer die russischen Olympiamünzen in den 1980er Jahren nicht verkauft, sondern behalten hatte, freute sich in den 1990er Jahren über einen hübschen Wertzuwachs.
Übrigens, obwohl der Markt für russische Münzen mit den Embargos stark geschrumpft ist, erfreuen sich die Moskauer Olympiamünzen immer noch der Aufmerksamkeit von Sammlern. Schließlich wohnen russischstämmige Menschen heute auf dem ganzen Globus, und Münzhändler kaufen russische Münzen aktuell zu sehr attraktiven Preisen, um bereitzustehen, wenn die russischen Kunden zurückkehren.
Damit haben es die russischen Gedenkmünzen in den Kreislauf des Münzhandels geschafft. Ihre Zahl ist heute klein genug, dass das Verhältnis von Münzen und Sammlern harmoniert.
Der Zweitmarkt als zentrales Anliegen aller Münzstätten
Das, was die russischen Olympiamünzen geschafft haben, wird nur einem Bruchteil aller zeitgenössischen Prägungen gelingen. Es wird wie in den 1980er Jahren die vielen Zeitungsartikel und Fernsehreportagen geben, in denen ein Journalist reißerisch darüber berichtet, was ein sammelnder Investor für seine Gedenkmünzen investiert hat, und was ihm davon heute noch übrig geblieben ist. Vor allem wenn staatliche Münzstätten in den Wirbel einer solchen Berichterstattung kommen, kann sich das auf die Reputation verheerend auswirken. Was Politik und Zentralbanken dann machen, bleibt dahingestellt.
Deshalb ist es in meinen Augen gerade in Zeiten des Booms besonders wichtig an das „danach“ zu denken. Jetzt wäre es möglich, das Geld zu investieren, echte Sammler zu gewinnen. Und dazu braucht es andere Methoden, als sie die Marketing-Departments anwenden, deren Erfolg an der Jahresbilanz gemessen wird und nicht an dem Effekt, der sich erst in einigen Jahren, vielleicht Jahrzehnten zeigt.
Wer wissen will, wie man einen Sammlermarkt entwickelt, sollte sich die Methoden des klassischen Münzhandels zum Vorbild nehmen. Den gibt es übrigens seit einem halben Jahrtausend. Die Gedenkmünzen verkaufenden Münzstätten gerade mal seit einem halben Jahrhundert.
Wenn es Sie interessiert, wie moderne Münzen entstehen, empfehlen wir Ihnen die Lektüre des MünzenMarkt 37: Wie entsteht eine Münze?
Der MünzenMarkt 26 beschäftigte sich mit historischen und modernen Anlagemünzen.