TICC: Die bestorganisierte Münzbörse der Welt
von Ursula Kampmann
Manchmal braucht es einen Blick über den eigenen Tellerrand, um sich Anregungen zu holen, wie die Münzbörse der Zukunft aussehen könnte. Die TICC in Japan hätte dafür einige Ideen zu bieten. Ursula Kampmann berichtet über ihre Erfahrungen in Tokio.
Ich gebe es zu, ich war nervös, ehe ich aufbrach, um in Tokio an der Tokyo International Coin Convention (TICC) teilzunehmen. Ich hatte viele Berichte über Japan gesehen, viele Bücher gelesen und in allen wurde betont, dass Japan eben doch noch ganz anders ist als das Multikulti-Gemisch, dem wir heute weltweit begegnen. Was all diese Autoren verschwiegen haben, ist die Tatsache, dass Japan so hervorragend organisiert ist, dass selbst ein Japan-Anfänger wie ich sich relativ schnell in dieser Stadt bewegen kann, sofern er eine kurze Einführung dazu erhält. Darüber hinaus haben die Veranstalter der Tokio International Coin Convention den Veranstaltungsort so gut gewählt, dass schon die Anreise für Ausländer ein Kinderspiel ist.
Die Location: Das Royal Park Hotel
Das Royal Park Hotel liegt gleich neben einem Busterminal, der im Halbstundentakt mit dem internationalen Flughafen Narita direkt verbunden ist. Wer nach seinem Flug ankommt, kann den großen Verkaufs-Schalter mit der freundlichen Bedienung gar nicht übersehen. Der Einstieg ist ebenfalls direkt vor der Tür und nach einer Busfahrt von rund einer Stunde kommt man 50 Meter vom Hotel entfernt in Tokio an. Das Royal Park Hotel ist ein typisch japanischer Hotelkomplex mit 20 Stockwerken und vielen verschiedenen Restaurants, einem japanischen Garten, einigen Läden im Untergeschoss, einem direkten Zugang zu einer der zahlreichen Metro-Linien, nicht zu vergessen dem kleinen Shinto-Schrein, der beim jährlichen Festival durch die Straßen getragen wird. Es offeriert für japanische Verhältnisse relativ große Zimmer.
Das Royal Park Hotel liegt mitten in einem eher traditionellen Viertel. Wer am Abend einen kleinen Spaziergang machen möchte, kann noch sehen, wie die typisch japanischen Formkekse mit einer Füllung aus süßer Bohnenpaste gebacken werden. In kleinen Seitenstraßen gibt es winzige Lokale mit Spezialitäten (nein, ich habe keinen giftigen Kugelfisch gegessen; es gibt viel Besseres.). Papeterien offerieren handgearbeitete Kleinstskulpturen, wie sie am Kinderfest für Jungs, dem Tango no Sekku, aufgestellt werden. Überall gibt es wunderschön gefüllte Bento-Boxen zu kaufen und man bedauert, dass man nicht genug Hunger hat, um alles zu versuchen. Und gleich nebenan steht ein erdbebensicherer Schrein, der vor allem von jungen Familien besucht wird, um ihre Kinder dem Schutz der Götter anzubefehlen.
Ein Produkt vorbildlicher Zusammenarbeit
Aber Sie interessieren sich ja für das numismatische Leben in Japan, nicht für meine Faszination für das traditionelle Japan. Und da ist die TICC etwas ganz Besonderes, weil hinter ihr die nämlich gesamte numismatische Welt Japans steht. Die Japanische Münzhändlervereinigung ist offiziell der Veranstalter. Bei der Eröffnungszeremonie in japanischer und englischer Sprache begrüßte aber nicht nur ihr Vorsitzender die Gäste, sondern auch der neue Münzstättenleiter der Mint of Japan genauso wie der Vorstand der japanischen Papiergeldproduktion. Ganz wie die World Money Fair hat auch die TICC eine Ehrengastland. Dieses Jahr war es Singapur, 2024 wird es Frankreich mit der Monnaie de Paris sein.
Auch die Münzsammlervereinigungen, von denen es in Japan zahlreiche gibt, helfen mit, um die TICC einzigartig zu machen. Sie leisten ihren Beitrag zu den großen Ausstellungen, die auf vom Museum der Japan Mint unterstützt werden und Objekte von herausragender Bedeutung zusammenbringen. Ferner halten ihre Mitglieder zwei gut besuchte Vorträge, nach denen einige Sammler im Raum die Toppstücke ihrer Sammlung präsentieren und persönlich mit den Besuchern darüber sprachen. Und damit wären wir schon beim zentralen Punkt, dem Publikum.
Das Publikum: Die japanischen Sammler
Wer noch nie die TICC besucht hat, kann gar nicht glauben, dass es solch ein interessiertes Publikum heute noch gibt. Die Gespräche kreisen weniger um Wert und Erhaltung, sondern mehr um die Geschichte, die hinter einer Münze steht, vor allem wenn es sich um ausländische Prägungen handelt. Viele japanische Sammler erzählten mir, dass sie sich über die Münzdarstellung die europäische Geschichte erschließen würden. Sie fragen sich: Warum ist genau dieses Bild auf der Münze? Und so stellen sie sich eine Frage nach der anderen, bis sie den genauen historischen Hintergrund einer Prägung verstanden haben.
Münzsammler mit den unterschiedlichsten Budgets besuchen diese Veranstaltung. Sie werden angezogen von den vielen attraktiven Münzen, die auf den Tabletts der Händler zu sehen sind. Dabei gibt es sowohl niedrigpreisige Angebote für Anfänger als auch extrem seltene Raritäten für den Sammler mit höchsten Ansprüchen.
Am Überraschendsten für mich waren die vielen Kinder und Familien, die da in den Börsensaal kamen, um sich umzusehen und einzukaufen. Der Großvater mit dem Enkel, zwei Freundinnen, die im Kinderwagen ihren Nachwuchs in den Börsensaal schoben, sie alle schauten sich interessiert die Ausstellungen an, kauften etwas im angrenzenden Saal der Münzhändler und bewiesen so, dass das Münzsammeln in Japan eine großartige Zukunft hat.
Gekkancoins Special Issue – ein voller Erfolg
Wir von der MünzenWoche hatten für diese Veranstaltung eine gedruckte Spezialausgabe unserer japanischen Seite Gekkancoins vorbereitet. Als ich zum ersten Mal die riesigen Kartons mit den 2.500 Heften hinter unserem Stand aufgetürmt sah, bin ich selbst ein wenig erschrocken. Aber bereits am ersten Tag hatten wir 1.200 Hefte verteilt – und das bei rund 1.500 Besuchern, so die Veranstalter. Tatsächlich erlebten wir, wie gerne die Besucher das Heft mitnahmen. Das Interesse an gedruckter Information ist in Japan immer noch enorm. Und so mancher Sammler kam anschließend noch einmal, um ein zweites, ein drittes Heft für ihre nicht anwesenden Sammlerfreunde zu erbitten. Und einige erzählten mir, dass sie bereits eifrige Leser unseres japanischen Newsletters sind. Am Schluss hatten wir noch rund 200 Hefte übrig. Die meisten davon gehen jetzt zur kommenden Münzbörse in Osaka, wo sie unter den anwesenden Sammlern verteilt werden.
Münzhändler und Münzstätten
Dank der Organisatoren war der Stand der MünzenWoche für unsere Zwecke äußerst günstig am Eingang zum Händlersaal gelegen. Die TICC ist nämlich grob gesagt in drei Bereiche geteilt: Im Eingangsbereich gibt es neben dem eigentlichen Empfangstisch einen großen Saal, in dem die Vorträge durchgeführt werden. Von dort aus führt ein Portal in den Saal, in dem die Münzstätten und Ausstellungen angesiedelt sind. Diesen Saal muss jeder durchqueren, um in den größten Raum zu kommen, in dem die Münzhändler ihre Geschäfte machen.
Dieser Saal war bis auf die wenigen Stunden kurz vor Schließung immer gestoßen voll! Und das obwohl die Organisatoren eigentlich angenehm breite Gänge zwischen den Ausstellern gelassen haben. Neben den japanischen Lokalmatadoren, die man hier in erster Linie findet, kommen seit vielen Jahren internationale Auktionshäuser, von denen einige inzwischen sogar japanische Mitarbeiter oder eine kleine Zweigstelle in Tokio haben. Ferner reisen natürlich die wichtigsten Händler aus dem asiatischen Raum an. Und man muss es noch einmal wiederholen: Die Qualität des mitgebrachten Materials ist beeindruckend, vielleicht eine Konsequenz der niedrigen Diebstahlsrate in der Stadt.
Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Sicherheitsproblematik, die bei uns immer zentraler wird, hier noch keine Rolle spielt. Im Gegenteil! Diese zwei kleinen Beispiele dürften für sich sprechen: Während ich während der World Money Fair meine Handtasche ständig fest umklammert halte und in Panik gerate, wenn ich sie kurz aus den Augen verliere, habe ich sie in Tokio – wie all die anderen Hotelgäste – unbewacht am Tisch liegen lassen, während ich mich zum Beispiel am Frühstücksbuffet bediente. Und hier das zweite Beispiel: Ein Kollege erzählte, dass er bei seiner Abreise vergaß, seinen Hotelsafe auszuräumen. Er war noch nicht im Börsensaal, da hatte ihn das Hotelpersonal deswegen schon kontaktiert. Das sichere Gefühl, sich unter freundlichen und ehrlichen Menschen zu bewegen, ist allein schon mal eine Reise wert. (Übrigens, diese Ehrlichkeit macht bei Regenschirmen halt! Deshalb gibt es in Tokio auch verschließbare Garderoben für Schirme.)
Wie auch immer, wer selbst es einmal mit einem Tisch bei der TICC versuchen will, der muss mittlerweile lange warten. Es gibt eine Warteliste. Es könnte deshalb sinnvoll sein, zunächst ohne eigenen Tisch als Besucher zu kommen, um so die wichtigsten Akteure kennenzulernen. Japan ist eine Gesellschaft, in der die persönliche Verbindung von zentraler Bedeutung ist. Und zu einer persönlichen Verbindung gehört eben auch die persönliche Anwesenheit.
Lotterie und Sonderausgabe
Die TICC arbeitet mit dem japanischen Roten Kreuz zusammen, dem Spenden aus der Veranstaltung zufließen. Denn es gibt zu Gunsten des Roten Kreuzes eine äußerst beliebte Lotterie, deren attraktive Preise von Münzhändlern gestiftet werden. Sie ist überaus beliebt und die Lose werden schnell verkauft. Jeden Tag waren lange vor Börsenende alle Preise gewonnen.
Ferner wurde im Rahmen der TICC eine Sonderprägung auf das Rote Kreuz verkauft, aber hier sind wir schon in unserem letzten Abschnitt, der vorbildlichen Organisation.
Die am besten organisierte Börse weltweit!
Der Verkauf der Sonderprägung fand am Samstag statt, und der Andrang war enorm. Die Organisatoren stellten sich dieser Herausforderung: Als ich kurz nach 9.00 morgens zu meinem Tisch ging, warteten bereits die ersten Interessenten. Sie warteten aber nicht irgendwo in der Lobby oder im Börsensaal und versperrten so anderen Sammlern den Weg. Stattdessen organisierten sie im Vortragsraum einen Verkaufs- und Warteraum. Wie in den langen Warteschlangen an den Flughäfen der Welt gab es abgesperrte Wege, in denen sich bis zu Verkaufsbeginn ein-, zweihundert Sammler versammelten, die einen brav Schlange stehend, die anderen auf dem Boden sitzend und lesend.
Ein Knoten im asiatischen Netzwerk
Die TICC hat mich aus verschiedenen Gründen beeindruckt, und dazu gehört auch, dass sie zentral ist, um sein Netzwerk mit den wichtigsten asiatischen Playern zu pflegen. Deshalb kann man all denen, die sich für einen Ausbau ihres asiatischen Netzwerkes interessieren, nur empfehlen, die TICC zu besuchen – mit oder ohne Tisch.
Ach ja, wir von der MünzenWoche haben uns schon für die TICC 2024 angemeldet. Und natürlich werden wir wieder ein Gekkancoins Spezial produzieren.
Wir haben laufend von der TICC auf unserer Event Website in Deutsch und Englisch berichtet. Dort finden Sie auch einige Meinungen zur TICC von einflussreichen Münzhändlern.
Hier finden Sie unsere japanische Website Gekkancoins.
Und hier können Sie unser Gekkancoins Spezial für Tokio downloaden.