Ein Bonaparte auf Hollands Münzen
Ein neues Königreich braucht neue Münzen. Wer sich für die Prägungen des kurzlebigen Königreichs Holland interessiert, – nicht zu verwechseln mit dem Königreich der Niederlande – sollte einen genauen Blick auf Künkers Herbst-Auktionen werfen. Hier wird eine der bedeutendsten Sammlungen zu diesem Thema aufgelöst. Zusammengetragen haben sie Kenner: Die Zwillinge Verschoor, Besitzer einer bekannten niederländischen Münzhandlung. Sie spezialisierten sich auf Proben und Münzen von Lodewijk Napoleon. Dim Verschoor publizierte sogar einen wichtigen Artikel zu diesem Thema. Schauen wir uns an, was ihre Sammlung über die Münzprägung im Königreich Holland verrät.
Ein König für die Niederlande
Im Juni 1806 zog der damals 28jährigen Lodewijk in seinem neuen Reich ein. Zu seinen Plänen gehörte eine Anpassung des Münzwesens. Dafür behielt er vorläufig die alten Nominale der Vereinigten Provinzen bei und ließ auch beliebte Handelsmünzen wie Dukaten weiterprägen, allerdings sollte das Münzwesen in einer königlichen Münzstätte in Amsterdam zentralisiert werden. Da aber dafür das Geld fehlte, wurde stattdessen die damals bestausgestattete Prägeanstalt seines Königsreichs in Utrecht weiter betrieben. Sie sollte bis ins 21. Jahrhundert die Münzen der Niederlande prägen.
Die wohl wichtigste Änderung, die Lodewijk für die Münzen der ehemaligen Republik plante, war, sein Portrait auf die königlichen Prägungen zu setzen. Schaut man sich die Sammlung Verschoor im Künker-Katalog an, beeindruckt vor allem die Vielfalt an verschiedenen Proben, die bezeugen, dass die Einführung dieser neuen Münzen alles andere als problemlos ablief.
Kopf und Umschrift
Die erste Hürde war das Portrait. Die niederländischen Münzmeister hatten wenig Erfahrung mit der Darstellung gekrönter Häupter. Man gab ihnen eine Medaille des französischen Künstlers Jean-Louis-Marie George als Vorbild für ihre Entwürfe und veranstaltete einen Wettbewerb. Ein halbes Jahr nachdem die eigentliche Frist verstrichen war, erhielt der damals in ganz Europa bekannte, aber hochbetagte Medailleur Joan George Holtzhey aus Amsterdam den Auftrag. Wieder ein halbes Jahr später, im Mai 1808, reichte Holtzhey seine Proben ein. Sie gefielen dem König nicht. Darüber informiert, stellte der Achtzigjährige das Gesuch, den Auftrag zurückgeben zu dürfen.
Nun wandte sich der Hof an einen französischen Medailleur, nämlich an Jean-Louis-Marie George, der die Medaille geschaffen hatte, die als Vorbild diente. Er nahm an und lieferte tatsächlich recht schnell Proben für eine 50-Stuiver-Münze mit einem gelungenen Portrait, das die zuständigen Stellen befriedigte.
Dafür führte nun die Sprachbarriere zu Problemen. Eine Probe aus der Sammlung Verschoor ist dafür ein hervorragendes Beispiel: Die Sammlung Verschoor enthält einen Abschlag in Kupfer von den Stempeln für eine neue Silbermünze zu 50 Stuivern, den George in Paris anfertigte und in die Niederlande schickte. Auf dem Revers ist das Wort Königreich falsch geschrieben – KONING RIK statt KONINGRIJK –, und es wurde fälschlicherweise ein „VAN“ vor HOLLAND gesetzt. Beides wurde moniert und geändert. Trotzdem gab es auch später Proben, bei denen George seine falsche Schreibung beibehielt. Zur Verteidigung des Medailleurs sei gesagt, dass er nur versuchte, widersprüchliche und teilweise falsche Anweisungen aus den Niederlanden zu befolgen.
Und dann war da noch die Frage der königlichen Titulatur. Ursprünglich hatte Lodewijk verlautbaren lassen, er wolle in den Umschriften als LODEWIJK DE EERSTE, KONING VAN HOLLAND bezeichnet werden. Bei dem neuen Auftrag an George kam ein kleines, aber vielsagendes „NAP.“ dazu – für Napoleon. So lesen wir auch auf der bereits gezeigten Probe zur 50-Stuiver-Münze „NAP. LODEW. I. KON. VAN HOLLAND.“ Als die Produktion endlich starten sollte, änderte die Majestät ihre Meinung und forderte, das „NAP.“ nach, nicht vor das „LODEW.“ zu setzen. Solche Änderungswünsche führten natürlich zu weiteren Verzögerungen, da völlig neue Stempel geschnitten werden mussten. Bei einem der Spitzenstücke der Sammlung, dem Reichstaler von 1809, sind die Fehler der Probe behoben und die neue Namensreihenfolge umgesetzt, wie wir sie bei den meisten Münzen aus dem Königreich Holland finden.
Technische Schwierigkeiten
Schließlich kamen noch technische Probleme hinzu. Man wollte modernisieren. Die fortschrittlichsten Prägemaschinen der Zeit sollten angeschafft werden, und zwar solche, wie sie in Paris verwendet wurden. Die verfügten über einen Prägering, mit dem sich Randschriften umsetzen ließen. Mehrere der teuren Pressen wurden nach einigem Hin und Her bei François Salneuve in Paris in Auftrag gegeben. Doch auch hier ging einiges schief. Zunächst verzögerte sich die Fertigstellung, weil Salneuve bei den Arbeiten einen Finger verlor. Zum Debakel kam es, als die Maschinen in Utrecht dem zuständigen Herrn Minister vorgeführt werden sollten: Nach ein paar Pressvorgängen verkeilten sich einige Stücke im Mechanismus der Prägemaschine und zerbrachen die Stempel. Die Randschrift war sowieso nicht zu lesen gewesen. Es dauerte Monate, bis die Maschinen soweit repariert waren, dass eine neue Vorführung angesetzt werden konnte. Endlich waren die funkelnagelneuen Prägepressen einsatzbereit – auch wenn ihre Produktivität hinter den Erwartungen zurückblieb. Die Sammlung Verschoor beinhaltet einige spannende Testexemplare, die mit den neuen Maschinen hergestellt wurden.
Der König dankt ab
Seit Januar 1809 lieferten die Pressen Münzen. Sie taten es nur wenige Monate. Denn Lodewijk musste schon am 1. Juli 1810 wieder abdanken. Die Geschichtsbücher berichten, Napoleon hätte genug von seinem zögerlichen Bruder gehabt, der zu vergessen schien, wem er die Krone verdankte. Aus Fürsorge für seine Untertanen führte er die Befehle des Kaisers nämlich nur widerwillig aus. Das betraf vor allen Napoleons Kontinentalsperre, die Großbritannien wirtschaftlich in die Knie zwingen sollte, aber gleichzeitig den Niederlanden enorm schadete.
Also kassierte Napoleon das Königreich Holland und machte es zu einer Provinz Frankreichs. Lodewijk ging – nun wieder als Louis – ins Exil nach Österreich. Er blieb den Holländern in guter Erinnerung. Nach Napoleons Sturz gab es sogar Überlegungen, ihn wieder einzusetzen, doch man entschied sich für einen Oranier, der nicht den belasteten Namen „Bonaparte“ trug.
Louis’ Leben endete in Italien. Ob ihn seine dortigen Freunde wieder Luigi nannten?
Die Launen der Geschichte führten später dazu, dass sein Sohn unter dem Namen Napoleon III. Kaiser von Frankreich wurde.
Literatur: George Sanders: De Parijse graveur Jean-Louis-Marie George (1755/6-1814), in: De Beldenaar 46, 2022, Nr. 3., S. 134-155.)
Diese Münzen und weitere Exemplare der Künker Auktion Sammlung der Verschoor Brüder finden Sie im Katalog zur Künker Auktion 373.
Hier finden Sie den Vorbericht zu den Künker Auktionen 372-375.