Sieger wider Willen: Moritz von Sachsen und der Schmalkaldische Bund
Das Stück zeigt auf der Vorderseite die drei Führer des Schmalkaldischen Bundes. In der Mitte steht der ranghöchste von ihnen: Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen. Auf dem Ehrenplatz rechts von ihm – für den Betrachter der Münze links – ist Landgraf Philipp von Hessen abgebildet. Auf der anderen Seite steht Moritz, der Herzog von Sachsen. Sie alle sind im vollen Harnisch dargestellt. Um nur ja keinen Irrtum aufkommen zu lassen, um wen es sich da handelt, halten sie nicht nur Schilde mit ihren Wappen, sondern sind auch durch ein zusätzliches Spruchband bezeichnet.
Über den dreien ist ein an Psalm 36,25 angelehnter Spruch zu lesen. Im Psalm heißt es: Ich bin jung gewesen und alt geworden und habe noch nie den Gerechten verlassen gesehen. Auf der Münze wird dieses Zitat so abgekürzt, dass seine Bedeutung offen bleibt: Der Gerechte wird nicht verlassen werden bzw. der Gerechte wird nicht verlassen.
Auf der Rückseite erklärt eine umfangreiche Aufschrift den Zweck der Prägung: Am 21. Oktober im Jahr 1545 wurde Herzog Heinrich von Braunschweig mit seinem Sohn Karl bei Bockenem durch die christlichen Bundesobersten, den Landgraf Philipp von Hessen, in Anwesenheit von Herzog Moritz von Sachsen, mit großer Heeresmacht besiegt, gefangen und nach Kassel verbracht.
Warum, kann man sich fragen, verzichtete Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen darauf, auf der Rückseite erwähnt zu werden, während Herzog Moritz von Sachsen derart prominent genannt ist? Um das zu verstehen, müssen wir uns ein wenig mit der Politik der damaligen Zeit beschäftigen. Eines können wir jetzt schon sagen: Wenn es nach Herzog Moritz gegangen wäre, wäre er auf dieser Schaumünze sicher nicht aufgetaucht.
Sachsen: Ein geteiltes Land
Ein einiges Sachsen gab es seit 1485 nicht mehr. Die Brüder Ernst und Albrecht hatten ihr Wettiner Erbe unter sich aufgeteilt. Ernst und seine Nachkommen erhielten die Gebiete um Wittenberg, Weimar, Gotha und Coburg sowie den Kurfürstentitel.
Albrecht und seine Nachkommen führten fortan „nur“ den Titel eines Herzogs. Ihr Territorium umfasste die Wettiner Besitzungen um Dresden und Meißen sowie die reichen Bergstädte im Erzgebirge. Wobei der Gewinn, den die Silberminen erwirtschafteten, übrigens unter Ernestinern und Albertinern aufgeteilt wurde, genau wie die Erträge aus einigen anderen Gebieten und Privilegien.
Vor seiner Teilung war Sachsen eine der reichsten und mächtigsten Herrschaften des Heiligen Römischen Reiches. Nach der Teilung hätte es eine der reichsten und mächtigsten Herrschaften sein können, wären sich seine Herrscher einig gewesen und hätten sie eine gemeinsame Politik betrieben. Aber dann kam die Reformation. Und während das Kurfürstentum Sachsen zum Mutterland der Reformation wurde, etablierte sich das Herzogtum Sachsen als Hort des Katholizismus.
Die Wende kam 1539. Das Herzogtum Sachsen fiel an Heinrich, dem die protestantische Geschichtsschreibung den Beinamen „der Fromme“ verpasst hat, weil es seiner Frau gelang, ihn zum Übertritt zum Protestantismus zu überreden.
Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen dürfte gejubelt haben, als 1539 das ganze Herzogtum Sachsen in Anwesenheit Luthers zum Protestantismus konvertierte. Denn mit Unterstützung von Herzog Heinrich konnte es ihm gelingen, seine Bedeutung im Reich nachhaltig zu steigern. Und Kurfürst Johann Friedrich war ehrgeizig. Werkzeug seines Ehrgeizes war der von seinem Vater initiierte Schmalkaldische Bund.
Der Schmalkaldische Bund
Lassen wir jetzt für einen Moment die fromme Legende beiseite und betrachten wir, wofür der Schmalkaldische Bund tatsächlich kämpfte: Es ging um weit mehr als die Freiheit der Religion. Es ging um das Verhältnis zwischen Territorialfürst und Reich. Karl V. nutzte nämlich sein Kaiseramt, um dem Reich Institutionen zu geben, die einen einheitlichen Rechtsrahmen schaffen sollten. Dazu gehörte zum Beispiel seine Gerichtsordnung, seine Münzordnung, aber auch ein Reichsgericht, vor dem – zumindest theoretisch – jeder Untertan eines Fürsten sein Recht einklagen konnte.
Es ging also bei weitem nicht nur um Luther, als ein Teil der Reichsstände den Augsburger Reichstag von 1530 unter Protest verließ. Sie werden seitdem als Protestanten bezeichnet. Der ein Jahr später gegründete Schmalkaldische Bund diente in erster Linie der militärischen Abwehr eventueller Repressionen der Reichsinstitutionen, weil die von Luther gerechtfertigte Konfiskation von Kirchengut jedem Reichsgesetz widersprach.
Der Kurfürst von Sachsen war Initiator und ranghöchstes Mitglied des Schmalkaldischen Bundes. Jede Vermehrung der Bedeutung des Schmalkaldischen Bundes bedeutete gleichzeitig eine Machtsteigerung für ihn. Deshalb versuchte er, den protestantisch gewordenen Herzog Heinrich und seinen Sohn als Mitglied des Schmalkaldischen Bundes zu gewinnen.
Der kleine Moritz
Und damit kehren wir zurück ins Jahr 1539, als Heinrich die Herrschaft über das Herzogtum Sachsen übernahm und sein Land protestantisierte. Heinrichs ältester Sohn Moritz war damals 18 Jahre alt und hatte religiös gesehen bereits ein abwechslungsreiches Leben hinter sich. Er war katholisch getauft. Einer seiner Paten war Kardinal Albrecht von Brandenburg gewesen, an dessen Hof er ein Jahr verbrachte. Moritz wurde katholisch erzogen, während seine Mutter gleichzeitig versuchte, ihn und den Vater zum protestantischen Glauben zu bekehren. Moritz war 16, als sein Vater konvertierte. Moritz musste diesen Schritt als Untertan seines Vaters mitmachen. War Moritz ein überzeugter Protestant? Wir wissen es nicht. Jedenfalls lebte und starb er im protestantischen Glauben.
Zwischen Schmalkaldischem Bund und Reich
Nachdem wir uns jetzt so lange mit Sachsen beschäftigt haben, müssen wir einen Blick auf Hessen werfen, wo der erfahrene Landgraf Philipp herrschte. Moritz kannte ihn persönlich, denn Philipp war der Schwiegersohn des inzwischen verstorbenen Herzogs von Sachsen. Doch als Philipp zur Reformation übertrat, suchte er eher das Bündnis mit dem protestantischen Kurfürstentum Sachsen.
Schon damals bestimmten persönliche Interessen die Politik. 1539 wurde bei Landgraf Philipp eine Syphilis festgestellt. Er reagierte darauf, indem er die Beziehung zu seiner Geliebten durch eine Heirat zu legalisieren versuchte. Die Logik dahinter erschließt sich modernem Denken wohl kaum. Schon damals war das ungewöhnlich, denn nach katholischem und Reichsrecht galt das als Bigamie. Deshalb berief Landgraf Philipp einen Ausschuss Wittenbergischer Theologen, der ihm bestätigte, dass es gemäß göttlichem Recht gestattet sei, eine zweite Ehe einzugehen. Dieses u. a. von Luther und Melanchthon unterzeichnete Statement schadete ihrer Reputation damals sehr.
In einem zweiten Schritt verhandelte Landgraf Philipp mit Kaiser Karl V., um Straffreiheit für sich zu erhalten, denn das neue Reichsrecht sah die Todesstrafe für Bigamisten vor. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich Moritz am Hof des Landgrafen auf. Er scheint sich zu dem wesentlich älteren Landgrafen von Hessen hingezogen gefühlt zu haben. Denn er heiratete ohne Erlaubnis seiner Eltern dessen Tochter Agnes, die wegen der Bigamie ihres Vaters Schwierigkeiten hatte, anderweitig eine standesgemäße Ehe einzugehen.
Moritz war noch am Hof des Landgrafen, als die Nachricht vom Tod seines Vaters am 18. August 1541 eintraf. Und als Landgraf Philipp sich gegenüber Kaiser Karl V. verpflichtete, sich nicht mit dem Kaiser feindlich gesinnten Mächten zu verbünden, trat auch Moritz diesem Vertrag bei, ehe er mit einigen Ratgebern seines Schwiegervaters und seiner jungen Ehefrau in sein Herzogtum Sachsen abreiste.
Eine eigenständige Politik
Moritz fühlte sich also von Anfang an zwei Parteien verbunden: Seinem Schwiegervater, dem Landgraf Philipp und seinem Kaiser. Dagegen weigerte er sich, Vollmitglied im Schmalkaldischen Bund zu werden.
Gegenüber Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen pochte Moritz dagegen auf sein Recht: Als der Kurfürst 1542 in der Wurzener Fehde versuchte, ein Gebiet zu okkupieren, das er gemeinschaftlich mit Moritz kontrollierte, hätte der einen Krieg begonnen, der nur durch das Eingreifen von Landgraf Philipp verhindert wurde.
Der Krieg gegen Heinrich den Jüngeren
Und wieder müssen wir Sachsen verlassen, um nach Braunschweig zu gehen, wo der überzeugte Katholik Heinrich der Jüngere versuchte, sein Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel zu vergrößern. Seine Juristen hatten sicher hervorragende Gründe für seine Eroberung von Goslar. Doch Goslar war Mitglied des Schmalkaldischen Bundes und damit der Bündnisfall gegeben. Das vereinte Heer von Kurfürst Johann Friedrich und Landgraf Philipp vertrieb Heinrich den Jüngeren im Jahr 1542. Moritz steuerte zu diesem Feldzug eher zögerlich Subsidien in Höhe von 50.000 Talern bei. Er wollte sein gutes Verhältnis zum Kaiser nicht belasten und gleichzeitig seinem Schwiegervater gefällig sein.
Übertölpelt!
Nicht einmal zwei Jahre später – Moritz kämpfte gerade im Dienst des Kaisers gegen die Franzosen – erreichte ihn aus Hessen ein neues Hilfsgesuch: Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel rüste sich zum Krieg. Man hoffe auf Moritz’ Unterstützung. Moritz war dazu bereit, allerdings ausdrücklich unter der Voraussetzung, dass hessisches Gebiet besetzt werde. Ein Vorgehen des Schmalkaldischen Bundes werde er nicht unterstützen.
Als nun die Heere von Hessen und Kursachsen sich in der Nähe der Reichsstadt Mühlhausen versammelten, ging ein neues Hilfegesuch ein, auf das hin Moritz seine Truppen in Marsch setzte. Den Kaiser informierte er darüber, dass er nicht den Schmalkaldischen Bund unterstütze, sondern lediglich seinen Vertrag mit Landgraf Philipp erfülle.
Erst vor Ort realisierte Moritz, dass Hessen nie in Gefahr gewesen war. Da stand er nun zwischen den Fronten. Erst hoffte er, einen Frieden vermitteln zu können. Dies scheiterte. Moritz kam unter Zugzwang. So waren seine Truppen dabei, als der Sieg über Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel erkämpft wurde.
Für Moritz und seine politischen Ziele war dieser Sieg ein Desaster. Seine so mühsam erworbene Reputation drohte, verloren zu gehen. Die Gefangennahme von Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel war rechtswidrig. Moritz gab seinem adligen Gefangenen sein Wort, dass er ihm die Gefangenschaft ersparen werde. Ein Wort, das er brechen musste, weil Landgraf Philipp sich auf keine Verhandlungen einließ.
Moritz hatte also keinen Anlass, seinen Anteil an der Gefangennahme Heinrichs von Braunschweig-Wolfenbüttel auch noch auf einer Schaumünze herauszustellen. Im Gegenteil. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp versuchten ihn zu zwingen, sich dem Schmalkaldischen Bund anzuschließen, indem sie mit dieser Prägung öffentlich machten, dass er auf ihrer Seite Reichsrecht gebrochen hatte.
Kurfürst
Moritz weigerte sich, dies zu tun. Er war nicht der „Judas von Meißen“, als den ihn die protestantische Propaganda beschimpfte. Er hielt seinem Kaiser die Treue und reiste in höchsteigener Person zum Reichstag nach Regensburg, um Karl V. seiner Loyalität zu versichern. Der stellte ihn auf die Probe: Er betraute ihn nämlich mit der Vollstreckung der Reichsacht, die am 19. Juli 1546 über Kurfürst Johann Friedrich I. verhängt wurde – wegen der Übergriffe auf Braunschweig-Wolfenbüttel und der Gefangennahme Heinrichs des Jüngeren.
Herzog Moritz von Sachsen unterstützte den Kaiser im Schmalkaldischen Krieg und gewann dadurch für die Albertiner die Kurfürstenwürde, die den Ernestinern aberkannt wurde.
Dass ihn in den Jahren danach der Kaiser so schwer enttäuschte, dass Moritz seine Loyalität aufgab und zu einem seiner gefährlichsten Gegner wurde, ist eine andere Geschichte. Immerhin war es Moritz, dem es gelang, mit König Ferdinand I. einen Kompromiss auszuhandeln, der es jedem protestantischen Fürsten in Zukunft erlauben sollte, gleichzeitig Protestant und kaisertreu zu sein. Moritz’ Passauer Kompromiss wurde zur Grundlage für den Augsburger Religionsfrieden von 1555.
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In der Ausstellung Cranach im Dienst von Hof und Reformation wurde auch eine Medaille auf den Sieg über den Schmalkaldischen Bund 1547 ausgestellt.
Anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums des Münzkabinetts Gotha wurde auch eine potentielle Auftragsarbeit des späteren Kurfürsten Moritz von Sachsen präsentiert.