Der Schatz am Ende des Regenbogens
Natürlich waren es keine Zwerge oder gar Kobolde, die diese kleinen, etwa 7,5 g wiegenden Goldmünzen in der Erde vergraben haben. Regenbogenschüsselchen sind die Erzeugnisse der Menschen, die man heute grob vereinfachend unter dem Begriff Kelten zusammenfasst. Eine genaue Datierung all ihrer Münzen ist schwierig, weswegen selbst wissenschaftliche Kataloge in der Regel darauf verzichten. Grob gesagt scheinen die Regenbogenschüsselchen mit einem höheren Gewicht älter zu sein als die leichteren Exemplare. Die Zeitspanne, in der ihre Prägung durchgeführt wurde, könnte vom Ende des 3. Jahrhunderts bis zur Mitte des 1. Jahrhunderts reichen. Nehmen Sie das aber nicht zu ernst. Die Forschung ist im Fluss, und die Datierungen können sich aktuell schnell ändern.
Wer prägte die Regenbogenschüsselchen?
Wer sich mit keltischen Münzen beschäftigt, muss in der Lage sein, offene Fragen auszuhalten, denn eindeutige Antworten gibt es kaum. So weiß man nicht, wer die Regenbogenschüsselchen nun eigentlich prägte. Traditionell werden keltische Münzen den „Stämmen“ zugeordnet, die zur Zeit Caesars dort lebten, wo heute die Münzen gefunden werden. Doch diese Zuordnung ist ein fragwürdiges Konstrukt des 19. Jahrhunderts, das die Völker der Vergangenheit als sesshafte Mini-Nationen verstand, die genauso auf „ihr“ Gebiet Anspruch erhoben, wie der deutsche oder der französische Staat.
Wer waren zum Beispiel die „Vindeliker“, nach denen die Römer ihr Verwaltungszentrum in Raetien – Augusta Vindelicorum (= Augsburg) – benannten? Seit wann lebten Sie in Süddeutschland zwischen Bodensee und Inn? Haben sie sich selbst als ein Volk verstanden? Oder vereinfachten ihre römischen Feinde, denen die einzigen schriftlichen Quellen über die Vindeliker zu verdanken sind, die vorgefundenen Verhältnisse?
Sicher darf man sich unter den Vindelikern keine Menschen mit einem keltischen oder gar vindelischem Selbstverständnis vorstellen, die als Ausdruck von Zusammenhalt und Identität keltische Münzen mit keltischen Motiven prägen wollten.
Was man weiß, ist, dass es bei Manching, unweit des heutigen Ingolstadt, seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. ein großes Handelszentrum gab, das archäologisch bestens erforscht ist, und auf dessen Gebiet man sowohl Regenbogenschüsselchen als auch die für ihre Herstellung notwendigen Geräte fand. Wobei natürlich auch außerhalb von Manching Regenbogenschüsselchen, Tüpfelplatten und Münzstempel gefunden wurden, zum Teil in einsamen Gebieten, in denen keltische Siedlungsreste (noch) nicht nachgewiesen werden konnten.
Was man nicht weiß, ist, wer in Manching lebte, wie die Siedlung organisiert war, und ob es einen Herrscher von Manching gab, der genauso prachtvoll residierte, wie man das von den schwäbischen Fürstengräbern der Hallstadtzeit (800-450 v. Chr.) kennt.
Was man wiederum weiß, ist, dass man nicht die Idee eines modernen Münzprivilegs auf die Antike übertragen darf. Es dürfte kein Monopol auf die Münzprägung gegeben haben. Man muss also in Betracht ziehen, dass hinter den Regenbogenschüsselchen nicht nur eine staatliche, sondern auch eine religiöse oder eine wirtschaftliche Gruppe stehen könnte.
Wozu benutzte man die Regenbogenschüsselchen?
Deshalb ist auch der Zweck der Regenbogenschüsselchen höchst fraglich. Sicher wurden sie nicht wie moderne Münzen benutzt, also ausschließlich als Geld, um wirtschaftliche Transaktionen zu erleichtern. Die meisten schriftlichen Zeugnisse – die natürlich nicht von keltischen Insidern überliefert sind, sondern von griechischen Wissenschaftlern und römischen Feldherrn – weisen darauf hin, dass Münzen bei den Kelten eine Art Gabencharakter hatten.
Männer und Frauen, die ein Gefolge an sich binden wollten, taten dies durch große Gaben. So berichtet Strabon (63 v. Chr. – 23 n. Chr.) in seiner Geographia, dass der Avernerkönig Luernios Gold- und Silbermünzen von seinem Wagen aus unter sein Gefolge warf. Und C. Iulius Caesar (100 – 44 v. Chr.) erzählt im Bello Gallico von Fürsten, die Gold, Silber und Geld unter ihren Anhängern verteilten. Dass der Besitz von Edelmetall ein entscheidendes Kriterium für den Status eines Kelten gewesen zu sein scheint, darauf weisen die reichen Goldfunde in keltischen Gräbern hin.
Gaben wurden auch übergeben oder versprochen, wenn man eine Entscheidung beeinflussen wollte. Das hat nichts mit moderner Bestechung zu tun, sondern beruht auf dem uralten Prinzip, dass jedes menschliche Verhältnis durch Gabe und Gegengabe begründet bzw. erhalten werden muss. Dabei wird Ausgewogenheit angestrebt: Jeder ist verpflichtet, seiner Stellung gemäß jede Gabe mit einer Gegengabe zu beantworten, wobei es für den Zeitpunkt, zu dem dies geschieht, keine Regel gibt.
Dahinter steht ein völlig anderes Wirtschaftssystem als es das heutige ist, ein System, das auf der grundsätzlichen Autarkie jedes Haushalts beruht, der alles für das tägliche Leben Notwendige selbst erzeugt, so dass nur Luxusgüter und besonders effektive Werkzeuge durch Handel – oder Geschenkeaustausch – erworben werden müssen.
Wann die keltischen Goldmünzen die Grenze von der normierten Gabe zum Zahlungsmittel überschritten haben, weiß man nicht. Die Produktion von Teilstücken und Münzen aus unedlem Material spricht dafür, dass sie zu diesem Zeitpunkt als Zahlungsmittel eingesetzt wurden.
Gerne werden die vielen Hortfunde keltischer Münzen, die in der Vergangenheit zum Vorschein gekommen sind, mit religiösen Ritualen in Verbindung gebracht. Aber auch hier gibt es mehr Fragen als Antworten, denn es fehlen die schriftlichen Quellen. Es könnte sich genauso gut um Opfergaben einer Gemeinschaft handeln wie um das Vermögen einer reichen Familie, die ihren Schatz in Krisenzeiten dem Boden anvertraute.
Was stellen die Bilder auf den keltischen Münzen dar?
Fragen über Fragen also, und auch bei den Motiven gibt es mehr Fragen als Antworten. Ist der Vogelkopf auf den Regenbogenschüsselchen der eines Adlers oder eines Geiers oder gar einer Taube? Alle Möglichkeiten wurden von Wissenschaftlern vorgeschlagen.
Ist der Ring mit den verdickten Enden ein Torques? Womit hängt die Zahl der Kugeln zusammen? Sind die leichten Veränderungen des Kopfes eine Frage des persönlichen Stils des Stempelschneiders oder ein Indikator für die Prägezeit?
Ist das so genannte Rolltier tatsächlich eine „Widderschlange“, wie man sie auf dem Kessel von Gundestrup sieht? Allerdings ist Herkunft, Datierung und Deutung dieses Kessels derart umstritten, dass er für die Einordnung des Münzbildes auch nicht weiterhilft.
Sie merken also. Sobald es um keltische Münzen geht, gibt es mehr Fragen als Antworten. Aber zumindest eines kann Ihnen erklärt werden, nämlich woher der Glaube kommt, am Ende des Regenbogens einen Schatz zu finden. Die Menschen haben nämlich schon immer zeitliche Übereinstimmungen für ursächlich gehalten. Und da fiel ihnen auf, dass es besonders häufig einen Regenbogen gab, wenn sie eine Goldmünze fanden. Nun erscheint ein Regenbogen, wenn gleichzeitig Regen fällt und die Sonne scheint. Heftiger Regen schwemmt Erdreich fort und sammelt sich gerne in konkaven Objekten wie den Regenbogenschüsselchen. Wenn nun auf deren nasse Oberfläche die Sonne fällt, dann glänzen die Objekte und lassen sich auf der dunklen Erde leicht auf große Entfernungen sehen.
Heute ist niemand mehr darauf angewiesen, auf der Suche nach Regenbogenschüsselchen dem Regenbogen nachzulaufen. Die schönsten Beispiele dieser geheimnisvollen Münzen können in der kommenden Künker-Auktion 366 aus der Sammlung Christan Flesche erworben werden.
Weiterführende Literatur:
Bernward Ziegaus, KeltenGeld. Sammlung Flesche. Herausgegeben von der Staatlichen Münzsammlung in München 2010; das Buch kann im Künker Online-Shop erworben werden.