Akbar – Herrscher des Mogulreichs. Teil 1
Akbars Großvater: Babur
14 Jahre war der junge Zāhir ad-Dīn Muhammad Bābur alt, als er im Jahre 1497 Samarkand erbte. Er musste eine Enttäuschung erleben: Die Usbeken vertrieben ihn aus seinem Reich. Sein Heer war nicht in der Lage, den Feinden genug Widerstand entgegen zu setzen. Rund 15 Jahre kämpfte Babur (= der Biber) darum, das Verlorene zurückzuerobern – mit mehr oder weniger Erfolg. Auf jeden Fall lernte der junge Kommandant dabei viel, und als er sich entschloss, den Kampf um Samarkand endgültig verloren zu geben und sich neuen Zielen zuzuwenden, konnte er auf die Lehren seiner Niederlage zurückgreifen.
Babur hatte während seines Kampfes eine ganz spezielle Taktik entwickelt: Er kombinierte seine schnellen Reitertruppen mit einer beweglichen Feldartillerie. Das war etwas ziemlich Neues. Einzig die Osmanen waren ihm hier voraus: Sie bewiesen damals bei der Eroberung des Balkan die Unwiderstehlichkeit ihrer Kanonen. Und auch Baburs Vormarsch wurde zu einem Triumphzug. Er eroberte zunächst Afghanistan, richtete sich in Kabul ein Zentrum ein, von dem aus er gegen Indien vordringen konnte. Dort kannte man weder Kanonen noch Handfeuerwaffen. Die Verteidiger der ersten Burg, die Babur angriff, sollen sich noch königlich über die merkwürdigen Stöcke amüsiert haben, ehe sie in Deckung gehen mussten, weil ihnen die Kugeln um die Ohren flogen.
Die neue Kampfweise kostete viel Geld, aber sie war effektiv. Babur konnte sich mit seinen unkonventionellen Ideen gegen Heere durchsetzen, die ihm mehr als zehnfach überlegen waren. Er eroberte Burgen, die bis dahin als uneinnehmbar gegolten hatten. Die hohen Kosten spielte die Artillerie durch die reichliche Beute mit Leichtigkeit ein. Innerhalb weniger Jahre eroberte Babur Delhi und Agra. Diese beiden Städte sollten das Zentrum eines neuen Imperiums bilden, des Reichs der Mogulkaiser.
Akbars Vater: Humayun
Hatte Babur sich alles mühsam erkämpfen müssen, fand sein Sohn Nasir ud-Din Muhammad Humayun ein befriedetes Indien vor, als er am 26. Dezember 1530 die Herrschaft antrat. Doch bald gab es die üblichen Schwierigkeiten: Die Moguln kannten kein Erstgeburtsrecht. Jeder Prinz war rein rechtlich zur Übernahme der Herrschaft befähigt, wenn er sich denn im Streit um die Macht bewährte. Hier mischten die Minister natürlich kräftig mit, denn ihnen lag daran, einen möglichst schwachen Herrscher zu haben, der ihnen große Vollmachten zugestehen würde.
Die Auseinandersetzungen mit Brüdern und Cousins kosteten Humayun den Thron, denn er musste das mogulische Kernland verlassen, um an der Peripherie gegen Aufstände vorzugehen. Das war die Chance für den ehemaligen Anhänger des von Babur vertriebenen Sultan von Delhi, Farid-ud-Din Abul Muzaffar, besser bekannt als Sher Khan (= der Tigerkönig) und Begründer der kurzlebigen Sur-Dynastie.
Sher Khan hatte die Streitereien Humayuns mit seinen Brüdern dazu genutzt, um das reiche Bengalen zu erobern. Humayun setzte seine Armee nur langsam gegen Sher Khan in Marsch, so dass dieser sich zurückziehen und in der benachbarten Provinz verschanzen konnte. Humayun zog in Bengalens Hauptstadt ein und blieb dort neun Monate, ohne entscheidende Maßnahmen zu treffen. In dieser Zeit muss dieses seltene Stück entstanden sein. Erst als der Monsun einsetzte und es für jede weitere militärische Unternehmung zu spät war, trat Humayun den Rückzug an. Er stieß auf neue Rebellionen, die ihm seine Untätigkeit eingebracht hatte. Humayun blieb nichts als die Flucht. Mit wenigen Anhängern und noch weniger Geld bettelte sich der Nachfolger Baburs von Hof zu Hof.
1542 wurde ihm sein Sohn Akbar geboren. Humayun belastete sich nicht mit dem Kleinkind. Er ließ es bei seinem Bruder in Afghanistan, ehe er nach Persien ins Exil ging. Erst als Sher Khan 1545 und nach ihm dessen Sohn im Jahr 1554 gestorben war, kehrte Humayun mit persischer Hilfe nach Indien zurück: Er selbst nutzte nun den Krieg, der um Sher Khans Nachfolge tobte.
Am 23. Juli 1555 saß Humayun in Delhi wieder auf dem Thron seines Vaters. Nicht einmal ein Jahr später war er tot. Ein dummer Unfall hatte seinem Leben ein Ende gesetzt: Die Hände voll mit seinen geliebten Bücherrollen war er die steile Bibliothekstreppe seines Palastes hinabgestiegen. Da hörte der fromme Muslim den Ruf des Muezzins. Humayun wandte sich um, verhedderte sich im langen Gewand und stolperte. Der Kaiser stürzte die steile Treppe hinab und brach sich das Genick – so zumindest die offizielle Version. Wenn man nur ein bisschen was über den Alkohol- und Drogenkonsum am mogulischen Hof weiß, hegt man den Verdacht, dass Humayun nicht ganz nüchtern war, als er sich auf die Treppe wagte.
Akbar übernimmt die Herrschaft
Wie auch immer, zum Zeitpunkt von Humayuns Tod war Akbar – mit vollständigem Namen Jalal-ud-Din Muhammad Akbar – gerade einmal 13 Jahre alt. Er hatte Glück: nur zwei Monate vor seinem Tod hatte Humayun seinen fähigsten Berater und General, Bairam Khan, zu Akbars Vormund gemacht. Bairam rettete dem Halbwüchsigen sein Reich, als ein Thronanwärter mit einem riesigen Heer und 300 Elefanten die Hauptstadt Delhi eroberte. Während viele Höflinge das Schicksal Akbars schon für entschieden hielten, sammelte Bairam die Truppen, flößte ihnen wieder Mut ein und siegte in einer gewaltigen Schlacht über den Gegner. Der 13jährige Akbar war persönlich anwesend. Er war in Afghanistan unter Kriegern aufgewachsen und wusste, wie man ein Schwert benutzt: Er schlug eigenhändig, allerdings auf Anordnung seines Vormunds, dem sterbenden Gegner den Kopf ab.
Damit hätte es sich der junge Mann gemütlich machen können. Schließlich gab es einen fähigen Minister, der für ihn die Arbeit erledigte, doch so war der neue Herrscher nicht veranlagt. 1560/1 beendete er den Einfluss von zwei mächtigen Hofcliquen, indem er zunächst Bairam beseitigen ließ und danach Adham Khan, seinen Milchbruder, den Sohn seiner Amme. Damit hatte Akbar bereits vor seinem 18. Geburtstag gezeigt, wie skrupellos er seine eigenen Interessen durchzusetzen bereit war. Er hatte sich aber auch als oberster Alleinherrscher etabliert, dessen Wort über allen Hofintrigen stand.
Der Löwengliedrige
Akbars Aussehen ist uns nicht nur durch zahlreiche Bilder von großer Wirklichkeitstreue, sondern auch durch eine Beschreibung seines Sohns Jahangir überliefert: „Von mittlerer Größe, doch eher zur Höhe neigend; weizenfarbig; seine Augen und Augenbrauen waren schwarz und seine Haut eher dunkel als hell; er war löwengliedrig mit breiter Brust und langen Armen und Händen. An der linken Seite der Nase hatte er eine fleischige Warze, von Größe einer halben Erbse, sehr angenehm anzusehen. Die Kenner der Physiognomie halten dieses Mal für ein Zeichen des Wohlstandes und überaus großen Glücks. Seine erhabene Stimme war sehr laut und besonders reich beim Sprechen und Erklären.“
Hindus und Moslems
Wir wollen hier nicht alle Kriege verfolgen, die Akbar führen müsste, um aus der kleinen Herrschaft von Delhi, die er von seinem Vater übernommen hatte, das mächtige Reich der Moguln zu machen, das bei seinem Tod den größten Teil Nordindiens bedeckte.
Wir müssen hier nur feststellen, dass seine Eroberungen Akbar zum Herrn über unzählige Hindus machte. Es war eine Voraussetzung für das Überleben des Reichs, dass sie sich mit Akbars (moslemischer) Herrschaft abfanden. Ein Miteinander der Religionen zu gestalten, wurde Akbars schwierigste Aufgabe. Ihre Bewältigung machte und macht ihn zu einer der umstrittensten Figuren der indischen Geschichte: Während orthodoxe Moslems ihn heute noch wegen seines Abfalls vom Glauben verteufeln, sehen liberale Inder in ihm ein Vorbild, das von der Möglichkeit einer Aussöhnung der Religionen zeugt.
Zunächst hatte Akbar ganz praktische Probleme: Da gab es die hinduistischen Rajputen, lokale Herrscher, die auf meist nur schwer zugänglichen Burgen saßen und von dort aus ihre begrenzte Macht ausübten. Sie mussten mühsam unterworfen werden. Der Einsatz der Kanonen im Berggebiet war zwar effektiv, aber kostspielig und immer nur kurzfristig möglich. Akbar begriff bald, dass er in Rajastan keine direkte Herrschaft würde ausüben können: Die Wege waren einfach zu weit und die Möglichkeiten, sich zu verschanzen, zu gut.
So suchte er die Verständigung. Akbar zwang keinen der unterlegenen Fürsten dazu, zum Islam überzutreten. Er heiratete die Tochter eines mächtigen Rajputen, des Herren von Amber. Es war die erste Heirat zwischen einem moslemischen und einem hinduistischen Herrscherhaus. Viele weitere sollten folgen. Die Rajputen, die zu einer Kooperation bereit waren, behielten ihre Stellung. Akbar erlegte ihnen eine nominelle Oberhoheit auf: Sie zahlten Steuern und leisteten ihm im Kriegsfall Gefolgschaft.
Trotzdem waren nicht alle bereit, sich Delhi zu unterwerfen. Immer wieder gab es Unruhen in Rajastan. Doch oft genügte es für den Erhalt der Ruhe schon, dass Akbar eine kaiserliche Jagd vor Ort anordnete. Für die traditionelle Form der Moguljagd war nämlich ein ganzes Heer zum Treiben notwendig. Wochenlang wurde ein gewaltiges Gebiet abgesperrt und die darin lebenden Tiere immer enger und enger zusammengetrieben. Je größer das Gebiet, umso größer die Militärpräsenz – diese Machtdemonstration genügte meist, um ohne direkten Einsatz von Gewalt einen entstehenden Aufruhr im Keim zu ersticken.
Auch der einfache Bürger profitierte von Akbars Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Trotz des lebhaften Missfallens seiner orthodoxen Mullahs setzte er auf eine Gleichberechtigung der unterworfenen Hindus mit den herrschenden Moslems. 1564 schaffte er die Kopfsteuer ab, die muslimische Herrscher traditionell von ihren „ungläubigen“ Untertanen zu fordern berechtigt sind. Damit gewann Akbar die Zuneigung der Hindus.
Fatehpur Sikri
Eine große Sorge quälte Akbar. Lange Jahre musste er auf einen Nachfolger warten. Die Söhne, die ihm geboren wurden, starben jung. Doch ein religiöser Führer, Scheich Selim Tschischti in Sikri, zu dem Akbar wallfahrtete, weissagte ihm, er werde drei Söhne haben. Nur kurz darauf wurde eine von Akbars Frauen (am Ende seines Lebens sollte er 300 von ihnen haben) schwanger. Sie schenkte am 30. August 1569 einem Sohn das Leben, der zunächst Salim genannt wurde und seinem Vater als Jahangir auf den Thron nachfolgte. Nur ein Jahr später wurde der zweite, zwei Jahre darauf der dritte Erbe geboren.
Akbar soll von der zutreffenden Prophezeiung derart beeindruckt gewesen sein, dass er beschloss, zu Ehren des Scheichs eine neue Hauptstadt in Sikri zu bauen, die heute als Fatehpur Sikri zu den interessantesten Ruinenstädten Indiens gehört. Ihr Name „Stadt des Sieges“ könnte aber auch auf einen anderen Anlass hinweisen: 1568 vernichtete Akbar den Widerstand der Rajputen in Chittor und Ranthambore. Fatehpur Sikri könnte als Zeugnis dieses Sieges gemeint sein. Wie auch immer, die Stadt zeugt von dem Geist der Neuerung und Toleranz, der Akbar und seine Politik beherrschte.
Berühmt ist der Diwan-e-Khas, die Halle der Privataudienzen: Sie ist im Inneren beherrscht von einer einzelnen, reich geschmückten Säule, darauf eine Plattform für den Thron des Herrschers. Er ist über Stege mit einer umliegenden Empore verbunden, auf der die Ratgeber Akbars standen und auf ein Zeichen des Kaisers warteten, um sich ihm zu nähern und ihre Meinung zu Gehör zu bringen. Unten standen all die Beamten, die zwar des Zuhörens, aber nicht des Sprechens für würdig erachtet wurden.
Fand hier eine von Akbars berühmten religiösen Diskussionen statt, gruppierten sich an den vier Seiten Hindus, Moslems, Parsen und spätestens seit 1580 auch Jesuiten, streng nach Religionszugehörigkeit geordnet, um die Streitereien untereinander möglichst gering zu halten.
Hier dürften Akbar auch die ersten Europäer aufgesucht haben: 1583 schickte Königin Elisabeth I. von England dem Mogulherrscher einen Brief, in dem sie ihn bat, ihrem Volk das Monopol auf den Indienhandel einzuräumen. Akbar hielt es nicht einmal für notwendig, darauf zu antworten. Für ihn waren diese Engländer und Portugiesen Bittsteller, denen man die gewünschte Ware, die Edelsteine und Teppiche, die feinen Stoffe und Gewürze, ausschließlich gegen Barzahlung in Silber überließ. Unter Akbar begann der lukrative Handel über die neuen Seewege, aber es sollte noch Jahrhunderte dauern, ehe die East India Company Indien beherrschte.
Nach nur 14 Jahren gab Akbar seine Hauptstadt auf – ob aus strategischen Gründen oder weil die Wasserversorgung nicht für die geliebten Springbrunnen und Gärten reichte, bleibt ein Rätsel.
Alltag am Hof
Auch wenn uns die Welt der Mongolen geheimnisvoll erscheint, gibt es doch nur wenige historische Epochen, die so eine Überfülle an schriftlichen Quellen hinterlassen haben. Mal ganz abgesehen von den Autobiographien des Babur und des Jahangir, auch aus Akbars Regierungszeit besitzen wir mehrere ausgezeichnete historische Darstellungen. Der Hofschriftsteller Abul Fasl zum Beispiel hielt im kaiserlichen Auftrag alles Wichtige (uns gelegentlich auch ziemlich unwichtig Erscheinende) fest. Seine Elogen werden ergänzt durch das Buch des Badauni, eines geradezu bigotten Moslems, der Akbar für seine Toleranz hasste. Zusammen geben die Schriften ein gutes Bild von den Vorgängen im Mogulreich. Sie liefern auch genug Information, um den gewöhnlichen Tagesablauf eines Mogulherrschers zu rekonstruieren.
Zunächst eines, es war kein leichter Job, das Mogulreich zu verwalten. Und so begann der Tag für Akbar bereits vor Sonnenaufgang mit dem Morgengebet. Danach zeigte er sich seinen Untertanen auf einem kleinen Balkon, um seine segensreiche Gegenwart über sie erstrahlen zu lassen, was Menschen wie Badauni für Hybris hielten.
Nach seinem großen Auftritt hatte der Herrscher eine kurze Stunde für sich, danach musste er in die große Audienzhalle, wo er sich auf seinem kissenbelegten Thron niederließ. Hinter ihm fächerten ihm Eunuchen Kühlung zu. Rechts und links präsentierte die Leibgarde, darunter auch die Scharfrichter, um jedes Urteil des Herrschers sofort zu vollstrecken.
Vor der Plattform standen die Großen des Reichs. Alle, die ein Amt bekleideten, müssten sich zweimal täglich zur Audienz einfinden. Wer nicht erschien, wurde mit einer Geldstrafe belegt. Sie waren das Publikum für die Beförderungen, die Ehrungen und die Bittsteller. Die geordnete Hierarchie des Gefolges machte großen Eindruck auf die ersten Europäer, die den Mogulhof besuchten, denn so eine strenge Etikette waren sie von daheim nicht gewohnt. Schon der geringste Verstoß wurde geahndet.
Nach der öffentlichen Audienz hielt der Kaiser etwa um 10.00 Uhr die Einzelaudienzen ab, um 11.30 Uhr besprach er im kleinen Rat die vertraulichen Probleme. Danach zog er sich in den Harem zurück, wo er nicht nur einen kleinen Imbiss einnahm, sondern auch die Petitionen seiner Frauen beantwortete, die ebenfalls Anteil an der Regierung hatten.
Um 15.00 Uhr kam das Nachmittagsgebet, danach die zweite große Audienz. Am Abend zog sich der Herrscher in den Harem zurück, hörte Musik, aß und entspannte sich, ehe er zu Bett ging. Während er dem Vorleser lauschte, schlief er ein.
Ein volles Programm also, das so oder so ähnlich jeden Tag abgehandelt wurde, zumindest wenn der Herrscher in einem seiner Paläste weilte. Doch Akbar war ein Erbe von Nomaden, er war so häufig unterwegs, dass er neben seinen Palästen aus Stein auch zwei Zeltpaläste für die Reise besaß.
In Teil 2 dieses Artikels erfahren Sie, welche Herausforderungen Akbar zu bewältigen hatte und auf welche Prinzipien er bei der Münzprägung setzte.
In diesem Artikel erfahren Sie, warum die Sterne eine wichtige Rolle am Hofe von Akbars Sohn, dem Großmogul Jahangir, und somit auch auf seinen Münzen spielten.
Einen Rundgang durch Fatehpur Sikri, die ehemalige Hauptstadt von Akbars Reich, finden Sie auf YouTube.