Die Geldgeschichte der USA, Teil 4: Unruhige Zeiten
Der Zweite Weltkrieg war gewonnen, und doch standen den Vereinigten Staaten als neue Supermacht unruhige Jahrzehnte bevor. Die Welt war in zwei sich waffenstarrend gegenüberstehende Lager gespalten und auch in der Bevölkerung der USA kam es zu Spannungen. Natürlich ist auch geldgeschichtlich einiges passiert.
Der Marsch der Pfennige
Im April 1945 trauert die amerikanische Nation um ihren Präsidenten Franklin D. Roosevelt, der im Alter von nur 63 Jahren stirbt – vorzeitig gealtert unter dem Druck von vier Amtsperioden, in denen er die Vereinigten Staaten unter anderem durch die Erschütterungen der Weltwirtschaftskrise und des Zweiten Weltkriegs geführt hat. So beschließt man, Roosevelt auf einer Münze zu ehren.
Die Münze der Wahl ist der Dime, der im Jahre 1938 zum Inbegriff des Kampfes gegen Polio geworden ist – gegen die „Kinderlähmung“, wie man damals sagte. Roosevelt selber war seit seinem 39. Lebensjahr an Polio erkrankt, und als 1938 eine Poliowelle Amerika überrollte, stellte sich der Präsident persönlich an die Spitze im nationalen Kampf gegen das Virus. Landesweit wurden die Menschen aufgerufen, je einen Dime direkt an das Weiße Haus zu schicken, damit die Regierung Maßnahmen gegen Polio ergreifen konnte.
Der so genannte March of Dimes (Pfennigmarsch) von 1938 wurde ein großartiger Erfolg. Es wurde eine Stiftung gegründet, die in den folgenden Jahren entscheidend dazu beitrug, eine Impfung gegen Polio zu entwickeln.
Der Dime hat gegen Ende der 30er-Jahre noch immer eine gewisse Kaufkraft – man bekommt dafür etwa einen großen Laib Brot oder zwei Flaschen Coca Cola.
Der Kalte Krieg
Wie bereits aus dem Ersten Weltkrieg gehen die Vereinigten Staaten auch aus dem zweiten großen Krieg gestärkt hervor. Das Land ist wirtschaftlich und militärisch zur Supermacht avanciert. Es produziert weltweit mehr als 60 Prozent der Industriegüter und besitzt zwei Drittel der globalen Goldreserven. Technischer Fortschritt und die Entwicklung neuer Konsumgüter lassen die Wirtschaft boomen. Und die Wiederaufrüstungsprogramme während des Kalten Kriegs halten die Industrie weiter in Schwung.
Der Kalte Krieg folgt aus der Aufteilung der Welt in zwei ideologische Blöcke, welche von den Siegermächten nach 1945 vollzogen wird: Dem kapitalistischen Westen steht der kommunistische Osten gegenüber. Keine Seite kann eine direkte Konfrontation riskieren: Man befindet sich in einem „nuklearen Gleichgewicht des Schreckens“ – beide Lager verfügen über Atomwaffen. So eskaliert der Gegensatz im Kalten Krieg. Wettrüsten als Drohgebärde ersetzt die Politik. Und sowohl im Osten als auch im Westen wirbt man um die Länder der Dritten und Vierten Welt; sie sollen die jeweiligen Lager verstärken.
In diesen Jahren erscheint ein weiterer großer Amerikaner erstmals auf Münzen: Es ist Benjamin Franklin (*1706, †1790), Politiker, Verleger, Schriftsteller, Naturwissenschaftler, Philosoph und Begründer der American Philosophical Society. Als Mitglied des Kongresses war Franklin 1776 an der Ausarbeitung der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung beteiligt. Auf der Rückseite des Franklin Half Dollars ist denn auch die Freiheitsglocke abgebildet, die Liberty Bell – jene Glocke, die in der Independence Hall von Philadelphia läutete, als 1776 erstmals die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten verlesen wurde.
Die rote Gefahr
Was die Vereinigten Staaten betrifft, so berufen sie sich in ihrem Kampf gegen den Kommunismus vor allem auf die Domino-Theorie von Präsident Dwight D. Eisenhower (1953–1961), nach welcher ein einziges kommunistisches Land eine Vielzahl anderer Länder „anstecken“ würde. So weiten sich im Zeichen des Kalten Kriegs viele lokale Konflikte zu Stellvertreterkriegen zwischen den Blöcken aus – der Vietnamkrieg ist ein klassisches und besonders barbarisches Beispiel dafür.
Zur externen Bedrohungsangst gesellt sich die Angst vor ideologischer Zersetzung auch innerhalb der USA. Es wird der Ruf nach Überprüfung der Gesinnung von Staatsbediensteten und Militärs laut. 1950 wird unter Führung des Senators Joseph R. McCarthy (*1909, †1957) ein Senatsausschuss gegen „unamerikanische Umtriebe“ eingerichtet, dessen Aktivitäten in den USA eine regelrechte Hysterie auslösen. Nach Darstellung McCarthys ist die amerikanische Gesellschaft bereits massiv kommunistisch unterwandert: Über 30 000 Staatsangestellte und Offiziere, Intellektuelle, Künstlerinnen und Künstler müssen sich vor dem Ausschuss verantworten. Die während der McCarthy-Ära geschürte Kommunistenangst beeinflusst die amerikanische Gesellschaft bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahre 1991.
Die Rassenunruhen und der Vietnamkrieg
Die amerikanischen 1960er-Jahre sind von Unruhe und Gewalt geprägt. Der wirtschaftliche Boom der Nachkriegszeit geht zwar mit einer steten Steigerung des Lebensstandards einher: Seit 1950 hat das Bruttosozialprodukt um 77 Prozent zugenommen. Doch profitieren nicht alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen vom Aufschwung. Insbesondere farbige Amerikanerinnen und Amerikaner sind sowohl in ökonomischer als auch in sozialer Hinsicht diskriminiert.
Die Umsetzung der Sozialprogramme und der Abbau der Rassendiskriminierung leiden unter einem außenpolitischen Ereignis: Der seit Jahren schwelende Vietnamkonflikt eskaliert unter Präsident Johnson zu einem Krieg.
Als sich die Japaner gegen Ende des Zweiten Weltkriegs aus Vietnam zurückziehen, etabliert sich dort zunächst eine unabhängige kommunistische Regierung. Doch Vietnam gehörte lange Zeit zum französischen Einflussbereich in Indochina – und in Paris ist man nicht gewillt, seine ehemalige Kolonie so leicht aufzugeben: Im September 1945 ziehen französische Truppen wieder in Vietnam ein. Damit beginnt ein jahrelanger Befreiungskampf der Vietnamesinnen und Vietnamesen, der schließlich in der Teilung Vietnams mündet: 1956 teilt man das Land in eine nördliche, kommunistische und eine südliche, französische Hemisphäre. Im Zuge des Kalten Kriegs und ihres Kampfes gegen den Kommunismus engagieren sich die USA von Anfang an stark in Südvietnam. Anno 1962 erfährt die Weltöffentlichkeit, dass Amerika entlang der innervietnamesischen Grenze mit dem Bau „strategischer Dörfer“ – als Bastionen gegen den Kommunismus – begonnen hat. Damit verstricken sich die USA tiefer und tiefer in Kriegshandlungen gegen Nordvietnam. Immer mehr Soldaten und Waffen müssen in den Krieg geschickt werden. Innerhalb von drei Jahren verzwanzigfacht sich die Zahl der amerikanischen Soldaten in Vietnam; bis auf Atomwaffen werden alle zur Verfügung stehenden Kriegsmittel gnadenlos eingesetzt.
Und das, obwohl die amerikanischen Beziehungen zu Vietnam nach dem Krieg zunächst sehr gut waren, hatte doch der Vater der Vietnamesischen Unabhängigkeit, Ho Chi Minh, die Vietnamesen im Zweiten Weltkrieg gegen den Kriegsgegner Japan geführt und in der Unabhängigkeitserklärung von Frankreich Thomas Jefferson zitiert. Dieser dritte Präsident der Vereinigten Staaten ist übrigens auch auf einer Münze abgebildet.
Dabei handelt es sich um die 5-Cent-Münze, besser bekannt als Nickel. Es ist die einzige amerikanische Münze, die bis heute in ihrer ursprünglichen Legierung hergestellt wird – mit einer Ausnahme: Während den Jahren des Zweiten Weltkriegs ist die Verwendung von Nickel wegen seiner Tauglichkeit für die Waffenproduktion ausgesetzt. Von diesen Jahren abgesehen besteht der Nickel seit 1866 aus dem bereits erwähnte Clad, einer Legierung aus Kupfer und Nickel.
Der Gentleman auf diesem heute noch umlaufenden Nickel ist wie erwähnt Thomas Jefferson, der maßgebliche Verfasser der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, der Schöpfer des amerikanischen Währungssystems und der dritte Präsident der Vereinigten Staaten (1801–1809). Das Haus auf der Rückseite ist Monticello, das Haus, in dem Jefferson 1826 gestorben ist.
We Shall Overcome
Der Vietnamkrieg (1964–1973) ist die längste kriegerische Auseinandersetzung in der Geschichte Amerikas. Er endet in einer militärischen Niederlage und spaltet die Nation: Die schnell wachsende Protestbewegung gegen den „schmutzigen Krieg in Vietnam“ stürzt Amerika in die tiefste Krise seit dem Bürgerkrieg. Die täglichen Bilder von heimkehrenden Särgen gefallener Soldaten – bis 1969 sind es 23 000 – unterminieren das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung. International erleiden die USA durch ihr auch gegenüber der Zivilbevölkerung äußerst rücksichtsloses Vorgehen im Vietnamkrieg einen enormen Prestigeverlust. Aber nicht nur das: Im November 1964 wird in den USA mit überwältigender Mehrheit der Demokrat Lyndon B. Johnson (1963–1969) zum Präsidenten gewählt. Johnson hat mit weitreichenden Reformversprechen wie einem milliardenschweren „Anti-Armutsprogramm“ die Stimmen vieler Gewerkschafter, linker Studentinnen und Studenten und der schwarzen Bevölkerung gewonnen. Doch die Eskalation in Vietnam macht seine Versprechungen schnell zunichte: Der Vietnamkrieg verschlingt Milliarden von Dollar, sodass für Sozialreformen nichts mehr übrig bleibt.
Immerhin unterschreibt Präsident Johnson 1964 nach monatelangem Ringen im Senat das Bürgerrechtsgesetz zur Aufhebung der Rassentrennung: Öffentliche Einrichtungen wie Verkehrsmittel, Restaurants, Kinos oder Schulen sollen künftig auch für Schwarze uneingeschränkt nutzbar sein. Doch die Unzufriedenheit in den Schwarzenghettos wächst – allen Bemühungen zum Trotz. Die Enttäuschung über die Johnson-Regierung, die aufgestaute Wut über Elend, Polizeibrutalität, Rassismus und Diskriminierung machen sich in Aufständen Luft, die zu bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen eskalieren. In Detroit kommt es im Juli 1967 – wie in über 100 anderen Städten der USA – zu tagelangen Krawallen, bei denen mehr als 20 Schwarze von der Polizei erschossen werden. Es gibt über 2000 Verletzte, und ganze Straßenzüge werden in Schutt und Asche gelegt.
Gleichzeitig mit der Bürgerrechtsbewegung erstarkt auch die Anti-Kriegsbewegung, die vor allem von studentischen Kreisen getragen wird – was einen konkreten Grund hat: Den Studenten droht die Einberufung nach Vietnam. Schon bald beginnen sich Teile der Friedensbewegung mit der schwarzen Bürgerbewegung zu vermischen. Daraus entwickelt sich eine weltweite Studentenbewegung, die als 68er-Bewegung in die Geschichte eingeht.
Die wirtschaftlichen Folgen von Vietnam
In den 1960er-Jahren gerät das System von Bretton Woods gefährlich ins Wanken, als die USA die Welt mit Dollars überschwemmen – dies unter anderem als Folge der Entwicklungshilfe an Europa und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg sowie von langfristigen privaten Investitionen im Ausland. 1964 übertrifft die Menge der sich im Ausland befindlichen US-Dollars die Goldreserven des amerikanischen Finanzministeriums. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner fürchten die Gefahr, dass diese Dollars in Gold konvertiert werden könnten und so der amerikanische Goldvorrat erschöpft würde.
Doch die Dollarschwemme stellt auch die anderen Mitgliedsländer des Bretton-Woods-Systems vor Probleme. Um den Wechselkurs innerhalb des vorgeschriebenen Spektrums zu halten, müssen diese nämlich immer wieder große Mengen Dollars kaufen – die deutsche Bundesbank zum Beispiel kauft zu diesem Zweck zwischen 1951 und 1973 Dollars für 112 Milliarden Mark. Das führt in Deutschland zu markanten Preissteigerungen, während man in den USA eine steigende Nachfrage nach Gold und damit einen steigenden Goldpreis verzeichnet.
Im Mai 1971 steigt Deutschland schließlich als erstes Land aus dem System von Bretton Woods aus: Der Wechselkurs zwischen D-Mark und Dollar wird von der Bundesbank nicht mehr länger künstlich stabil gehalten, sondern dem freien Markt überlassen. Andere Länder folgen. Als Gegenmaßnahme hebt die amerikanische Regierung unter Präsident Nixon die Umtauschbarkeit von Dollars in Gold im August desselben Jahres auf. Seither ist der Dollar eine so genannt manipulierte Papierwährung ohne inneren Wert – wie alle anderen Währungen der heutigen Zeit auch.
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