Die Geldgeschichte der USA. Teil 2: Zwischen Silber und Gold
Der Wirtschaftsboom nach dem Sezessionskrieg
Der Norden erlebt durch den Bürgerkrieg einen ungeheuren Boom, während die Südstaaten wirtschaftlich darniederliegen. Die Befreiung der etwa 3,5 Millionen Sklavinnen und Sklaven bedeutet für die Farmer des Südens nicht nur einen gigantischen Eigentumsverlust, sondern beraubt die Baumwollwirtschaft auch ihrer traditionellen Grundlage. Im Norden hingegen fördert die Menschenknappheit während des Krieges die Mechanisierung der Landwirtschaft. Hier wird zur Förderung des Nachschubs an die Front auch das Eisenbahnnetz ausgebaut – während das im Süden bestehende Netz systematisch zerstört wird.
In den Jahren von 1860 bis 1870 erleben fast alle Wirtschaftsbereiche und Landesteile in den USA einen atemberaubenden Aufschwung – außer der Süden. Die USA werden nicht nur zum größten Weizenexporteur der Welt, sondern auch zum weltweit größten Eisen- und Stahlproduzenten.
Während dieser Jahre legen erfolgreiche Wirtschaftspioniere die Grundsteine zu gigantischen Vermögen; Männer wie John D. Rockefeller, Cornelius Vanderbilt oder Cyrus H. McCormick übertreffen die meisten Politiker ihrer Zeit bei weitem an Macht und Einfluss. Bewundert und gehasst, prägen sie das Leistungsprinzip der amerikanischen Gesellschaft und werden zu den Vorbildern des amerikanischen Traums vom Selfmademan.
Der Einfluss der Wirtschaftsmagnaten auf die Politiker treibt Korruption und Geschäftemacherei zu voller Blüte. Zu Beginn der 70er-Jahre erschüttert ein Skandal nach dem anderen das Land und macht die Gewinnsucht weiter Kreise in Wirtschaft und Politik deutlich. Ab 1873 beginnt sich das überheizte Wirtschaftsklima zu entladen. Es kommt zu einer Reihe von Bankrotten, die eine schwere Wirtschaftskrise auslösen. Preiszerfall und Arbeitslosigkeit sind die Folge; erst ab 1878 beginnt sich die Ökonomie im Norden und im Süden wieder zu erholen.
Wirtschaftsexpansion und Wirtschaftskrise: Numismatik
In den Jahren nach dem Bürgerkrieg sehen sich die amerikanischen Bundesbehörden vor ein Problem gestellt. Um die enormen Kriegskosten zu decken, sind während des Krieges große Mengen an Papiergeld gedruckt worden – unter anderem die so genannten Greenbacks, die Banknoten der Nordstaaten. Ihr Name geht auf die fälschungssichere grüne Farbe zurück, die man zum Bedrucken der Rückseite der Scheine benutzt, während die Vorderseite in Schwarz erscheint.
Die Greenbacks sind durch keinerlei Edelmetallreserven gedeckt, und je mehr Banknoten in Umlauf gelangen, desto mehr sinkt ihr Wert im Vergleich zu den Silber- und Golddollars: Im Jahre 1865 ist ein Greenback Dollar nur gerade 49 Cent in Gold wert. Da erhebt sich nach dem Krieg, als es um die Rückzahlung der Kriegsschulden geht, natürlich sofort die Frage: Begleichung der Schulden in Edelmetall- oder Papierdollars? Eine Rückzahlung in Edelmetallmünzen kommt für die Regierung nicht in Frage, denn dank dem tiefen Papierdollarkurs sind ihre Schulden in Papierdollar um mehr als 50 Prozent geringer als bei einer Rückzahlung in Gold.
Eine Rückzahlung in Münzgeld wäre ohnehin schwierig: Ende der 1860er-Jahre sind kaum mehr Münzen in Umlauf; als relativ sichere Wertanlagen sind sie während des Krieges in den Sparbüchsen der Bevölkerung verschwunden. Es herrscht daher ein großer Mangel an Metallgeld – umso mehr, als die spanischen Pesos und alle anderen umlaufenden ausländischen Münzen anno 1857 offiziell aus dem Verkehr gezogen worden sind.
Nun gäbe es an und für sich genügend große Silbervorkommen im Land, um den Münzmangel beheben zu können; allein der Kongress befürchtet, dass auch neue Silbermünzen sofort aus dem Geldumlauf verschwinden und eingetauscht werden könnten gegen das massenhaft umlaufende Papiergeld. So bleiben die amerikanischen Silberminenbesitzer auf ihrem Silber sitzen. Da sie ihre Ware in den USA nicht absetzen können, werfen sie das Silber auf den Weltmarkt: Große Mengen gehen zu Dumpingpreisen nach Europa, was hier die Silberpreise in den Keller stürzen lässt. In den folgenden Jahren verlagern die meisten europäischen Länder ihre Währung vom Silber- auf den Goldstandard: Währungsreserven werden fortan in Gold und nicht mehr in Silber angelegt.
1873 kommen die amerikanischen Silberminenbesitzer auf die Idee, Silbermünzen für den boomenden Handel mit Asien herzustellen – bis anhin wurde dieser Handel überwiegend mit spanischen und südamerikanischen Pesos abgewickelt. Um die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen, machen die Amerikaner ihre Trade Dollars schwerer als die Pesos und geben ihnen einen höheren Silbergehalt, was denn auch auf der Münze vermerkt wird: „420 GRAINS, 900 Fine“ bedeutet, dass die abgebildete Münze bei einem Gesamtgewicht von umgerechnet 27,22 Gramm fast 25 Gramm reines Silber enthält.
Das Ende der privaten Münzprägung
Durch eine Reduktion der Papiergeldmenge und den wirtschaftlichen Aufschwung, den die USA nach dem Bürgerkrieg erleben, erreicht der Papierdollar bis zum Ende der 1870er-Jahre wieder den gleichen Kurs wie der Golddollar. Doch wie erwähnt ist der Wert des Silberdollars in der Zwischenzeit gesunken: Seit 1876 ist der Marktpreis für Silber derart tief, dass es sich für die amerikanischen Silberminenbesitzer lohnt, die schweren Trade Dollars auch für den heimischen Markt zu produzieren – was sie denn auch tun. In den folgenden Jahren überschwemmen ihre Trade Dollars die USA.
Diese erneute Zunahme der Geldmenge passt jedoch nicht ins Konzept der Regierung, die ja in den vergangenen Jahren die Geldmenge erfolgreich reduziert hat. Der Kongress stellt deshalb die freie Prägung von Silberdollars ein – bis dahin konnte in den USA jeder und jede eigene Münzen prägen lassen.
Das Verbot der freien Silberprägung passt allerdings verschiedenen Gruppierungen im Lande nicht – und darunter sind nicht nur die Besitzer von Silberminen. Auch Amerikas Schuldner protestieren, denn sie haben gehofft, ihre Schulden mit den im Verhältnis zu den Gold- und Papierdollars im Wert sinkenden Silberdollars leichter bezahlen zu können. Es formiert sich eine „Silberpartei“, die sich die freie Ausprägung von Silbermünzen auf die Fahnen schreibt.
Die Frage nach der richtigen amerikanischen Währungspolitik erregt die Gemüter in den folgenden Jahren. Das Establishment – die Oberschicht und damit die Kreditgeber – besteht auf einer Kontrolle der umlaufenden Geldmenge und einer harten Goldwährung. Die Schuldner hingegen – und das sind insbesondere viele Farmer, aber auch Arbeiter und Arbeiterinnen – wünschen sich einen im Wert tiefen Silberdollar, der auch den Wert ihrer Schulden verringert.
Um die Silberlobby teilweise zufrieden zu stellen, verpflichtet der Kongress die US-Regierung, jeden Monat Silber im Wert von mindestens 2 Millionen Dollar aufzukaufen und in Silberdollars umzuprägen. Diese so genannten Morgan-Dollars sind bald in so riesigen Mengen vorhanden, dass sie sich in den Gewölben des Schatzamtes stauen, denn im täglichen Zahlungsverkehr bevorzugen die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner schon lange das handliche Papiergeld.
Die massiven Silberankäufe erschöpfen die staatlichen Geldreserven rasch. Zudem lässt der sinkende Wert des Silbers die hochwertigen Goldmünzen aus dem Verkehr verschwinden – sie werden gehortet, während die Leute Silbermünzen mit ihrem geringeren Metallwert mit vollen Händen ausgeben. 1890 gehen noch 90 Prozent aller Zolleinnahmen in Gold ein; zwei Jahre später sind es lediglich noch vier Prozent.
Der abgebildete Half Eagle, das goldene 5-Dollar-Stück, ist bei den Amerikanerinnen und Amerikanern sehr beliebt – es ist die Münze, die Großeltern ihren Enkelkindern in Weihnachtsstrümpfe und Geburtstagsgeschenke packen. 5 Dollar haben gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer noch einen beträchtlichen Wert: Ein Half Eagle hat etwa dieselbe Kaufkraft wie eine moderne 100-Euro-Note.
Im Rezessionsjahr 1893 sinkt der Silberdollar im Vergleich zum Golddollar auf einen Wert von 53 Cent. In diesem Jahr führt die drohende Gefahr einer Abwertung des Dollars zu überstürzten Aktienverkäufen und in der Folge zu einer schweren Wirtschaftskrise. Die späten 1890er-Jahre sind in den USA durch Depression und Unsicherheit geprägt.
Im Präsidentschaftswahlkampf von 1896 ist die Frage nach dem Silber- oder Goldstandard als Basis für die amerikanische Währung das Wahlkampfthema Nummer eins. Der Sieg der „Goldpartei“ macht den Weg für den Goldstandard endgültig frei. 1900 wird der Golddollar zur einzigen Währungsmünze erklärt. Der Silberdollar bleibt weiterhin in Umlauf, doch verliert er immer mehr an Boden, bis seine Prägung 1935 schließlich für ein Vierteljahrhundert eingestellt wird.
Auf dem Weg zur Weltmacht
Mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert sind die letzten Indianerinnen und Indianer ausgerottet oder in Reservate deportiert, die Westexpansion ist beendet, die Frontier Geschichte – die Erschließung des amerikanischen Kontinents ist vollbracht. Nun können sich die Vereinigten Staaten vermehrt außenpolitischen Zielen zuwenden. Im Jahre 1898 provoziert man einen Krieg gegen Spanien, der mit dessen Niederlage endet. Im Verlauf dieses Krieges besetzen die USA Kuba und annektieren Puerto Rico sowie Hawaii; im Friedensvertrag muss Spanien auch die Philippinen und die Insel Guam an die Sieger abtreten. Der karibische und pazifische Raum gehören nun weitgehend zum Herrschaftsgebiet der USA.
Auch die kleinen lateinamerikanischen Staaten bekommen die starke amerikanische Hand zu spüren: Um das militärische Gewicht der USA im Pazifik zu stärken, fasst Präsident Theodore Roosevelt (1901–1909) den Bau des Panamakanals ins Auge. Doch Panama gehört zu Kolumbien, und Kolumbien weigert sich hartnäckig, die Kanalzone der Kontrolle der USA zu unterstellen. So inszeniert Roosevelt eine Revolution der panamaischen Bevölkerung in Kolumbien und erreicht die gewaltsame Abspaltung Panamas. Die neue Republik wird von den USA sofort anerkannt – allerdings zu Bedingungen, die Panama zu einem amerikanischen Protektorat machen.
In den folgenden Jahren geraten weitere lateinamerikanische Staaten in politische und wirtschaftliche Abhängigkeit der USA. Der „Dollar-Imperialismus“ vollendet, was Kriege und politischer Druck bisher bereits geschafft haben. Nordamerikanische Konzerne investieren im Ausland, nordamerikanische Banken geben Kredite und gewinnen damit auch außerhalb der Vereinigten Staaten enormen wirtschaftlichen und politischen Einfluss.
Das gilt zunehmend auch für Europa. Der Erste Weltkrieg (1914–1918) bringt die amerikanische Wirtschaft zum Florieren: Stahl-, Munitions- und Schiffbauindustrie boomen; auch nicht unmittelbar kriegsorientierte Wirtschaftszweige wie die Landwirtschaft profitieren vom großen Krieg. Bereits ein Jahr nach Kriegsausbruch sind die USA und die Alliierten wirtschaftlich dermaßen miteinander verflochten, dass eine Lösung dieser Beziehungen für die Vereinigten Staaten den Ruin und für Frankreich und Großbritannien die Niederlage bedeuten würde.
Lesen Sie in der nächsten Folge, welche Folgen der Schwarze Freitag für die amerikanische und die Weltwirtschaft haben sollte.
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