Was macht ein Schwede in Polen?
Sigismund III. von Gottes Gnaden König von Polen und von Schweden, Großfürst von Litauen, Rus, Preußen, Masowien, Samogitien und Livland, so nennt sich Sigismund in der Umschrift auf diesem Portugalöser zu 10 Dukaten von 1612, der am 26. Juni 2019 bei Künker versteigert wird. König von Polen und von Schweden? Wie kam es dazu, dass ein schwedischer Prinz zum König von Polen wurde? Wir erzählen die Geschichte.
Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne. So fangen viele Märchen an. Tatsächlich war das Schicksal Sigismunds weniger märchenhaft, sondern vielmehr ein Jonglieren zwischen den Gegenpolen der damaligen Zeit: Zwischen Katholiken und Protestanten, zwischen Adelsmacht und Königtum. Aber von Anfang an.
Ganz im Märchenstil hatte Gustav I., der erste von vielen Wasas, die auf dem schwedischen Thron sitzen sollten, eine Fülle von ehrgeizigen Söhnen, von denen drei nacheinander die schwedische Krone tragen sollten. Da war sein Ältester Erik, der nach ihm König wurde. Da war Johann, nur vier Jahre jünger als Erik, den sein Vater zum Herzog von Finnland machte. Da war Magnus, der später wegen so genannter Blödsinnigkeit von Thronerbe ausgeschlossen werden sollte. Und da war Karl, beim Tod des Vaters gerade mal 10 Jahre alt.
Zunächst gerieten Erik und Johann aneinander. Johann wollte nämlich mehr sein als Herzog von Finnland und hielt deshalb Ausschau nach Verbündeten. Er fand sie jenseits der Ostsee, in Polen. Denkt man daran, dass das Meer damals eine wesentlich bessere Verkehrsverbindung darstellte als jede Straße, war Sigismund II. Augustus, König von Polen und Großfürst von Litauen, die augenfällige Wahl.
Wir sehen Sigismund II. von Polen auf diesem Dukaten mit einem prachtvollen Renaissanceporträt. Die Rückseite zeigt die Wappen von Polen, Litauen, darunter die von Kiew, Samogitien und Wolhynien. Der Mittelschild des Wappens dürfte vor allem Kennern der italienischen Münzen bekannt vorkommen. Er präsentiert den Biscione, die menschenfressende Schlange der Sforza. Schließlich entstammte Sigismunds Mutter Bona dieser italienischen Familie.
Sigismund hatte eine schöne und gebildete Schwester. Sie hieß Katharina und wurde wie damals so üblich zum Pfand des Vertrauens zwischen den Verbündeten Sigismund von Polen und Johann von Schweden.
Und das sehr zum Ärger des königlichen Schwagers Erik. Der begriff, welchen Machtzuwachs das Bündnis seinem Bruder verschaffte. Er klagte ihn des Hochverrats an und sperrte ihn mitsamt der frisch angetrauten Katharina vier Jahre lang auf Schloss Gripsholm ein. In der Zeit der Gefangenschaft kam 1566 der älteste Sohn der beiden auf die Welt. Die Eltern nannten ihn programmatisch Sigismund nach dem Bruder und Vater der polnischen Königsgemahlin.
1566, das war 11 Jahre nach dem Augsburger Religionsfrieden, der dem Reich einen labilen und vorläufigen Frieden gebracht hatte, ohne alle Konflikte zu beseitigen. Auch in den anderen Ländern gab es noch jede Menge ungelöster Probleme zwischen den Konfessionen. Eine Hochzeit wie die zwischen der katholischen Polin Katharina und dem protestantischen Schweden Johann war zwar möglich. Aber nun stellte sich die gute – und ziemlich politische – Frage: Wie sollte der kleine Sohn der beiden getauft werden? Katholisch oder protestantisch? Klar, die Taufe würde gleichzeitig ein Statement sein: Würde sich Baby-Sigismund später nach Schweden oder nach Polen hin orientieren?
Die Eltern entschieden sich für eine katholische Erziehung. Das war für die Gefangenen erst einmal sicher. Kein katholischer Prinz würde in Schweden einen protestantischen König vom Thron verjagen können. In Polen sah die Sache anders aus: Das Land war ein Wahlkönigtum, und ausländische Fürsten hatten bei jeder neuen Wahl gute Aussichten, solange sie katholisch waren und genug Geld und Soldaten mitbrachten.
Wir müssen an dieser Stelle nicht die gesamte schwedische Geschichte wiederholen. Es genügt zu sagen, dass Erik sich mit seinen Entscheidungen beim Adel derart unbeliebt machte, dass dieser ihn für verrückt hielt und Johann half, in einem blutigen Aufstand den Bruder zu vertreiben und 1569 die Krone zu übernehmen.
Er erbte nicht nur die Herrschaft, sondern auch den Kampf um die Vormacht über den einträglichen Ostseehandel. Wichtigster Konkurrent war Russland. Und da war und blieb Sigismund II., Bruder der Königin, der sicherste Verbündete. Leider starb der schon 1572.
Und sein Nachfolger Stephan Bathory war so energisch und erfolgreich, dass er die Unterstützung Schwedens nicht benötigte.
Nach dessen Tod im Jahr 1586 sah Johann die Chance für seinen inzwischen 20jährigen Sohn: Das Königreich Polen war ein Wahlkönigreich. Sein Sohn hatte als Katholik und Enkel Sigismunds I. von Polen hervorragende Chancen, vom Sejm zum polnischen König gewählt zu werden. Wurde er auch. Leider nicht alleine. Auch der Habsburger Maximilian III., zubenannt der Deutschmeister, betrachtete sich als rechtmäßig gewählt. Militärisch war Sigismund überlegen, so dass es ihm gelang, die Habsburger Truppen aus dem Land zu vertreiben und seinen Konkurrenten gefangen zu nehmen.
Nach langwierigen Verhandlungen wurde Sigismund am 27. Dezember 1687 in Krakau gekrönt. Diese Münze erinnert daran. Auf ihr ist das Szczerbiecschwert abgebildet, das „schartige“ Schwert, der einzige erhaltene Bestandteil der Kroninsignien der Piastendynastie. Seinen Namen trägt es nach einer Legende, die ihn mit seinem ersten Besitzer verbindet: Es soll eine Scharte erhalten haben, als Boleslaw I. damit in das Goldene Tor von Kiew hieb. Was chronologisch betrachtet gar nicht möglich ist. Boleslaw starb 1025. Das Goldene Tor wurde 1037 gebaut. Wie auch immer, heute kann man dieses Schwert im Krakauer Wawel besichtigen.
Wir wissen übrigens genau, wie dieses Schwert im Krönungszeremoniell eingesetzt wurde: Der Erzbischof von Gnesen hob es vor der eigentlichen Krönung vom Altar auf und überreichte es dem knienden König. Dazu rezitierte er eine Formel, die vom König verlangte, innerhalb seines Volkes Gerechtigkeit zu üben. Eine kleine Reflektion dieses Schwurs finden wir in der Rückseitenumschrift „Für das Recht und das Volk“.
Danach übergab der König das Schwert dem Schwertträger, der es in die Scheide steckte und dem Bischof so zurückgab. Der gürtete damit den knienden König. Der stand auf, zog das Schwert aus der Scheide, schwang es dreimal in Form eines Kreuzzeichens in der Luft, ehe er es wieder in die Scheide steckte. Und natürlich tuschelte bei jeder Krönung der gesamte anwesende Adel darüber, wie kompetent der König mit dem Schwert umgegangen war…
Und damit hatte tatsächlich ein schwedischer Prinz den polnischen Thron bestiegen. Nur war dieser Prinz leider auch der älteste Sohn des Königs von Schweden. Er erbte also den schwedischen Thron, als Johann III. am 17. November 1692 starb. Und nun hatte Sigismund ein echtes Problem damit, dass er katholisch war.
Karl spielte die religiöse Karte, denn das war sein größter Pluspunkt. Der schwedische Adel stand nämlich fest auf Seiten Sigismunds. Ein weit entfernter König bedeutete schließlich jede Menge Handlungsspielraum…
Karl aber brachte das einfache Volk auf seine Seite. Er soll selbst im Winter 1596/7 auf die Wintermärkte gegangen sein, um den Bürgern und Bauern die Schrecken eines katholischen Regimes auszumalen. So kämpften also bei der Schlacht von Stangebro nicht nur Karl gegen Sigismund, sondern Adel gegen Volk, tolerante gegen fanatische Protestanten. Der Fanatismus siegte. Karl wurde König von Schweden. Sigismund kehrte zurück nach Polen – selbstverständlich ohne seinen Titel und das Wappen aufzugeben. Auch auf diesem Taler aus dem Jahr 1627 nennt sich Sigismund König der Schweden und der Goten.
Auch sein Sohn Wladislaw IV. Wasa, der 1632 den polnischen Thron bestieg, behielt Titel und Wappen. Wir sehen die drei Kronen und lesen, dass er sich als Erbkönig der Schweden, Goten und Wandalen bezeichnete.
Doch als dieser Erbe Sigismunds 1632 den Thron von Polen bestieg, verwüstete der Erbe Karls, bereits als Löwe aus dem Norden zwei Jahre lang das Deutsche Reich. Gustav Adolf war zu einem fanatischen Protestanten geworden. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.
Einen detaillierten Vorbericht der Künker Sommerauktion finden Sie in der MünzenWoche.
Auch Videos mit einigen der schönsten Stücke gibt es dort zu sehen.