alle Hintergrundartikel

Was haben Spielsteine eigentlich in der Numismatik verloren?

von Ursula Kampmann

Am 5. Juli 2025 offeriert Künker in seiner Auktion 425 ein komplettes Set von Tricktrack-Spielsteinen. Das Ensemble ist von hohem kulturhistorischem Wert. Uns veranlasst das nachzufragen, warum Spielsteine Teil der Numismatik sind – und was wir von ihnen über den numismatischen Tagesbetrieb der frühen Neuzeit lernen können.

Inhalt

Hintergrund: Handgefertigte Spielsteine, ca. Mitte des 16. Jahrhunderts, aus der kaiserlichen Kunstkammer. KHM Wien. Foto: KW. Vordergrund: Spielstein mit allegorischen Themen. Aus Auktion 425 (3.-5. Juli 2025), aus Los Nr. 2242.

Hintergrund: Handgefertigte Spielsteine, ca. Mitte des 16. Jahrhunderts, aus der kaiserlichen Kunstkammer. KHM Wien. Foto: KW. Vordergrund: Spielstein mit allegorischen Themen. Aus Auktion 425 (3.-5. Juli 2025), aus Los Nr. 2242.

Kennen Sie Tricktrack? Nein? Tricktrack ist kein Vorläufer des heute so beliebten Backgammon, auch wenn das dabei verwendete Brett dem Backgammon-Brett ähnlich sieht. Tricktrack spielte man nach anderen, wesentlich komplizierteren Regeln. Sie sind so komplex, dass wir es uns an dieser Stelle sparen, sie wiederzugeben. Es genügt zu sagen, dass anders als beim modernen Backgammon das Ziel nicht darin bestand, die Steine von Punkt A nach Punkt B zu bringen. Stattdessen gab es Punkte für unterschiedlichste Konstellationen. Wer als erster 12 Punkte gemacht hatte, war Sieger.

Spielbrett aus der kaiserlichen Kunstkammer, 16. Jahrhundert n. Chr. KHM Wien. Foto: KW.

Spielbrett aus der kaiserlichen Kunstkammer, 16. Jahrhundert n. Chr. KHM Wien. Foto: KW.

Ein Spiel für den Adel

Entscheidend war beim Tricktrack die Kombination des Faktors Glück mit einer geschickten Strategie des Spielers. Mangelndes Glück konnte beim Tricktrack durch großes Können wettgemacht werden; umgekehrt nutzten dem ungeschickten Spieler auch seine glücklichsten Würfe nichts. So spiegelte Tricktrack – anders als das reine Denkspiel Schach – das reale Leben der adligen Oberschicht: Ein guter Anführer war eben derjenige, der aus dem, was ihm das Schicksal zuteilte, das Beste machte.

Kein Wunder, dass Politiker und Feldherrn sich rühmten, Meister des Tricktrack zu sein. Und gleich unser ältester Beleg für dieses Spiel, der vom beginnenden 16. Jahrhundert stammt, schildert, wie der junge Federico Gonzaga mit Papst Julius II. Tricktrack spielt. Spätestens Mitte des 16. Jahrhunderts war Tricktrack auch in Deutschland angekommen und wurde begeistert von der adligen Oberschicht gespielt. So konnte Euverte Jollyvet, der 1634 eine Abhandlung über das Spiel verfasste, es mit folgenden Worten charakterisieren: „Nahezu alle anderen Spiele sind ebenso unter Pagen, Dienern oder Lakaien verbreitet wie unter Fürsten, Herren und Adligen. […] Doch in Bezug auf das Große Tricktrack sind es nur Leute von Ehre, die es spielen, und nur die hellsten, agilsten und wachsten Köpfe, die es verstehen können.

Zwei Adlige beim Tricktrack-Spiel. Ausschnitt aus einem Spielbrett des 17. Jahrhunderts. Admont. Foto: KW.

Zwei Adlige beim Tricktrack-Spiel. Ausschnitt aus einem Spielbrett des 17. Jahrhunderts. Admont. Foto: KW.

Wer in der besseren Gesellschaft also „in“ sein wollte, lernte Tricktrack spielen – auch im Bürgertum. Das Spiel zu beherrschen entwickelte sich zu einem Statussymbol. Und selbst wenn man nur stümperhaft spielte, galt es als schick, im eigenen Haushalt augenfällig eine kostbare Tricktrack Ausstattung aufzustellen. Wie heute so manches Schachbrett mit aufwändig gestalteten Schachfiguren eher als Dekoration dient als dem regelmäßigen Spiel, so schmückten Tricktrack-Bretter die anspruchsvollen Haushalte der frühen Neuzeit.

Und das bedeutete eine gestiegene Nachfrage nach kostbaren Brettern und Spielsteinen, die durch die Popularisierung des Spiels nur zunahm. Befriedigt wurde diese Nachfrage vor allem in den beiden süddeutschen Zentren der Handwerkskunst, in Augsburg und Nürnberg.

Handgefertigte Spielsteine, ca. Mitte des 16. Jahrhunderts, aus der kaiserlichen Kunstkammer. KHM Wien. Foto: KW.

Handgefertigte Spielsteine, ca. Mitte des 16. Jahrhunderts, aus der kaiserlichen Kunstkammer. KHM Wien. Foto: KW.

Vom handgeschnitzten Spielstein zum maschinellen Produkt

Dort war man vor allem Mitte des 16. Jahrhunderts froh um das neue Produkt, das sich an einen zahlungskräftigen Kreis von Auftraggebern richtete. Viele Holzbildhauer hatten durch die Reformation ihre traditionellen Kunden eingebüßt. Niemand gab mehr Heiligenbilder für die private Andacht in Auftrag. Die Nachfrage nach aufwändig hergestellten Spielsteinen, füllte zunächst eine Lücke.

Doch schnell stellte sich heraus, dass der Käuferkreis, der sich diese handgeschnitzten Spielsteine leisten konnte und wollte, verschwindend klein war. Und schon setzte die maschinelle Produktion von Spielsteinen ein. Man entwickelte in Augsburg Formen, mittels derer die Motive in die Spielsteine gepresst wurden. Das griff der Nürnberger Werkzeugbauer und Erfinder Leonhard Danner auf. Er hatte sich viel mit Schrauben und Pressen beschäftigt, hatte unter anderem die Buchdruckerpresse verbessert. Genauso nutzte er nun erstmals eine Presse, um damit Bilder mittels Metallstempeln auf Holz aufzubringen. Die hohe Kunst bestand darin, die Schraubenpresse so einzustellen, dass die Bilder scharf und tief wurden, ohne dass dabei das Holz zerbrach.

Dank Danners Erfindung entwickelten sich Augsburg und Nürnberg zu Zentren der Spielsteinfabrikation, doch dies endete Anfang des 17. Jahrhunderts. Der wirtschaftliche Niedergang, der mit den Auswirkungen der kleinen Eiszeit und des 30-jährigen Krieges verbunden war, sorgte für einen drastischen Einbruch jeglicher Nachfrage nach Luxuswaren.

 Spielstein mit dem Porträt des pfälzischen Grafen und Marschalls Friedrich Hermann von Schomberg. Aus Auktion 425 (3.-5. Juli 2025), aus Los Nr. 2242.

Spielstein mit dem Porträt des pfälzischen Grafen und Marschalls Friedrich Hermann von Schomberg. Aus Auktion 425 (3.-5. Juli 2025), aus Los Nr. 2242.

Medaille auf den Tod des pfälzischen Grafen und Marschalls Friedrich Hermann von Schomberg, 1690. Selten. Vorzüglich bis Stempelglanz. Taxe: 2.000 Euro. Aus Auktion 426 (7.-8. Juli 2025), Nr. 3014.

Medaille auf den Tod des pfälzischen Grafen und Marschalls Friedrich Hermann von Schomberg, 1690. Selten. Vorzüglich bis Stempelglanz. Taxe: 2.000 Euro. Aus Auktion 426 (7.-8. Juli 2025), Nr. 3014.

Ausschnitt aus dem Katalog lieferbarer Medaillen der Nürnberger Firma Friedrich Kleinert von 1697.

Ausschnitt aus dem Katalog lieferbarer Medaillen der Nürnberger Firma Friedrich Kleinert von 1697.

Ausschnitt aus dem Katalog lieferbarer Medaillen der Nürnberger Firma Caspar Gottlieb Lauffer von 1709.

Ausschnitt aus dem Katalog lieferbarer Medaillen der Nürnberger Firma Caspar Gottlieb Lauffer von 1709.

Ausschnitt aus dem Katalog lieferbarer Medaillen der Nürnberger Firma Caspar Gottlieb Lauffer von 1742.

Ausschnitt aus dem Katalog lieferbarer Medaillen der Nürnberger Firma Caspar Gottlieb Lauffer von 1742.

Der Nürnberger Unternehmer Friedrich Kleinert

Und damit sind wir bei Friedrich Kleinert angekommen, jenem Nürnberger Unternehmer, der für den kompletten Tricktrack-Spielstein-Satz verantwortlich zeichnet, den Künker in seiner Auktion 425 am 5. Juli 2025 anbieten wird. Wer nicht so lange warten möchte, hat bereits in eLive Auction 87 die Chance, aus einem breiten Angebot von Spielsteinen zu wählen. Denn in eLive Auction 87 wird eine Spezialsammlung Brettsteine aufgelöst.

Aber zunächst zu Friedrich Kleinert. Angesichts der Bedeutung, die dieser innovative Unternehmer für das deutsche Medaillenwesen hat, wissen wir leider nur wenig über ihn: Friedrich Kleinert wurde am 4. Juni 1633 in Bartenstein / Ostpreußen geboren. Nach dem Tod seines Vaters heiratete Kleinerts Mutter ein zweites Mal, und zwar den Drechsler Heinrich Machsen. Bei ihm lernte der junge Friedrich das Handwerk des Kunstdrechslers. Wie viele andere Handwerker machte er sich nach Abschluss der Lehre auf die Wanderschaft. Sein Weg führte ihn 1664 nach Nürnberg. Dort arbeitete Kleinert zunächst in seinem eigentlichen Fach. Er soll auf der Drehbank künstliche Puppen und Ähnliches hergestellt haben. Vielleicht gehörten auch einfache Brettsteine zu seinem Portfolio. Schließlich blieb die Herstellung der Ronden Aufgabe eines Kunstdrechslers. Jedenfalls erwarb Kleinert 1668 Meisterbrief und das Nürnberger Bürgerrecht. Doch erst mit dem Kauf einer Spindelpresse im Jahr 1680 wurde Kleinert zu einem bekannten Medaillenverleger.

Frühe Spindelpresse, heute in Gotha. Foto: KW.

Frühe Spindelpresse, heute in Gotha. Foto: KW.

Innovative Technik: die Spindelpresse

Spindelpressen waren damals neu in Deutschland. Caspar Gottlieb Lauffer, Nachkomme eines Konkurrenten von Kleinert, behauptet in seinem Katalog lieferbarer Medaillen von 1742, dass es sein Vater gewesen sei, der als erster Deutscher die Spindelpresse genutzt habe. Wir dürfen bezweifeln, dass Lauffer die Wahrheit spricht. Immerhin lässt sich bereits seine nächste Behauptung leicht widerlegen: Lazarus Gottlieb Lauffer erhielt sicher nicht als einziger privater Münzmeister das kaiserliche Privileg, Medaillen zu prägen. Im Gegenteil, im Nürnberg der 1680er Jahre prägten vier voneinander unabhängige Unternehmer mit einer Spindelpresse, unter ihnen eben auch Friedrich Kleinert.

Das wissen wir, weil sich bereits am 8. November 1686 der Nürnberger Rat mit der neuen Technologie beschäftigte. Die Stadtväter dürften gefürchtet haben, dass diese neue Maschine in die Hände unmoralischer Zeitgenossen geraten könnte. Schließlich war es mit der Spindelpresse ein Kinderspiel, hervorragende Fälschungen anzufertigen. Deshalb wurde festgelegt, dass kein Privatmann die Spindelpresse für die Herstellung kursfähiger Umlaufmünzen nutzen dürfe. Erlaubt war ausschließlich die Produktion von Schau-Pfennigen, also Medaillen.

Der Besitz einer Spindelpresse wurde per Erlass nur vier Nürnberger Unternehmern gestattet, und zwar Lazarus Gottlieb Lauffer, seinem Bruder Cornelius Lauffer, Johann Jakob Wolrab und eben Friedrich Kleinert. Sollte einer von ihnen beabsichtigen, Spindelpresse oder Prägewerkzeug zu verkaufen, musste er dafür die Zustimmung des zuständigen Beamten einholen. Auch das Silber, das es für die Medaillen-Herstellung brauchte, unterlag einer strengen Kontrolle. Es musste ausschließlich über die Nürnberger Münzstätte bezogen und mindestens mit 15 Lot 2 Quentchen reinem Silber auf die Mark legiert werden.

Last but not least versuchte der Nürnberger Rat, seinen Stempelschneidern ein Monopol zu verschaffen. Nürnberger Medaillen-Unternehmer durften nur Nürnberger Stempelschneider engagieren. Doch dies wurde bereits wenige Tage später widerrufen: Friedrich Kleinert bewirkte einen neuen Beschluss vom 26. November 1686, der ihm gestattete, „seine Stempel in Augsburg machen zu lassen, damit die hiesigen Eisenschneider, welche von denen daselbst übertroffen werden, etwa dadurch zu mehreren Fleiß angehalten werden möchten.“

Die beiden Ratsbeschlüsse illustrieren, welch zentrale Rolle Nürnberg in der Verbreitung privater Medaillen spielte. Wie aber erfuhren die Sammler von den Nürnberger Medaillen? Schließlich musste ein Unternehmer, wollte er profitabel agieren, Kunden in ganz Europa haben. In diesem Zusammenhang spielten zunächst die Faktoren eine zentrale Rolle. Ein Faktor war der Beauftragte eines Fürsten, der ihn über alle Angebote unterrichtete, die für ihn von Interesse sein konnten. Faktoren beschafften Kunstwerke für die Kunstkammer, kostbare Stoffe, Waffen und Möbel, Bücher für die Bibliothek sowie alte und neue Münzen für die Münzsammlung. Große Fürsten hatten in allen wichtigen Handelsstädten ihre Faktoren. Unbedeutendere Adlige und Bürger hatten das natürlich nicht.

Neue Vertriebswege

So imitierte Friedrich Kleinert im Jahr 1697 das, was seine Kollegen im Buchhandel schon seit Jahrzehnten praktizierten: Er verfasste einen Katalog all seiner lieferbaren Medaillen. Dieser Katalog konnte an Sammler verschickt werden. Natürlich nicht ein Katalog pro Sammler – Buchdruck war damals enorm teuer! Solche Kataloge wurden unter Sammlern weitergereicht und immer wieder genutzt, um bei einem lokalen Händler, der eine ständige Verbindung mit Nürnberg unterhielt, seine Bestellung aufzugeben. Dass ganz Europa zu den Kunden Kleinerts gehörte, zeigt uns die Sprache, die er für seinen Katalog wählte: das Lateinische. So konnte er sicherstellen, dass alle gebildeten Sammler sein Angebot verstanden.

Was uns an diesem Katalog vor allem faszinieren dürfte, ist die Tatsache, dass Kleinert ganz selbstverständlich Medaillen anbot, die sich auf Ereignisse bezogen, die lange vor der Drucklegung stattgefunden hatten. Rechnen wir damit, wie lange solche Kataloge aktuell blieben, müssen manche Ereignisse schon mehrere Jahrzehnte zurückgelegen haben, bis ein Kunde die zugehörige Medaille bestellte.

Denn Caspar Gottlieb Lauffer, der nach Kleinerts Tod dessen Lager an Stempel übernahm, gab 1709 eine Neuauflage dieses ersten Katalogs heraus. In seinem wesentlich umfangreicheren Katalog von 1742 ging Lauffer dann zur deutschen Sprache über. Kleinerts Medaillenstempel werden auch in diesem Katalog noch erwähnt. So konnte ein Sammler also eine Medaille auf den Tod des Marschalls von Schomberg noch kaufen, nachdem seit seinem Tod mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen war!

Spielsteine mit allegorischen Themen. Die Umschrift des ersten lautet in Übersetzung: Häufig verschleudert es dir Gold; die des zweiten könnte man übersetzen mit: Genug für die Truhe, nicht genug für das Auge. Aus Auktion 425 (3.-5. Juli 2025), aus Los Nr. 2242.

Spielsteine mit allegorischen Themen. Die Umschrift des ersten lautet in Übersetzung: Häufig verschleudert es dir Gold; die des zweiten könnte man übersetzen mit: Genug für die Truhe, nicht genug für das Auge. Aus Auktion 425 (3.-5. Juli 2025), aus Los Nr. 2242.

Ein einträglicher Nebenverdienst

Wir haben es also bei all den Produzenten Nürnberger Medaillen mit Privatunternehmern zu tun, die darauf achten mussten, leicht verkäufliche Ware mit möglichst wenig Aufwand herzustellen. In diesem Zusammenhang stellten Spielsteine für das modische Tricktrack eine finanziell interessante Ergänzung dar, die eine Doppelnutzung so mancher Stempel ermöglichte.

Die wenigsten Stempel wurden nämlich ausschließlich für Spielsteine geschnitten. Da macht die Serie, aus der die über und unter diesem Abschnitt gezeigten Spielsteine stammen, eine Ausnahme. Die allegorischen Darstellungen wurden vom Augsburger Stempelschneider Jakob Leherr geschaffen, vielleicht sogar konzipiert. Der 1656 geborene Goldschmied und Medailleur trug seit 1685 den Meistertitel. Und meisterhaft sind seine Designs. Besonders eindrücklich ist der kleine Amor, der in eine übervolle Truhe blickt, um festzustellen: Genug für die Truhe, nicht genug für das Auge. Mit heutigen Worten: Der Gierige bekommt nie genug.

Das könnte man durchaus auch über den Schöpfer dieses Brettsteins, Christoph Jakob Leherr, sagen. Denn zu dem Zeitpunkt, als er die wunderbaren Stempel fertigte, war er bereits im großen Stil als Münzfälscher tätig. Die Nürnberger Ratsherren hatten also nicht umsonst gefürchtet, dass die Spindelpresse die Fälscherei noch einfacher machen würde! Während Leherr die Münzen produzierte, setzte sie sein Komplize, der Augsburger Kaufmann Emanuel Eggelhof, in Umlauf. Fast drei Jahrzehnte lang blieb ihr Tun unbemerkt. Dann wurden sie entlarvt und am 10. April 1707 in Augsburg mit dem Schwert hingerichtet.

Spielsteine mit allegorischen Themen. Aus Auktion 425 (3.-5. Juli 2025), aus Los Nr. 2242.

Spielsteine mit allegorischen Themen. Aus Auktion 425 (3.-5. Juli 2025), aus Los Nr. 2242.

Es mag deshalb geradezu wie Ironie wirken, dass Leherr auch diese allegorischen Stempel schuf: Das Beispiel mit dem Ianuskopf trägt die Aufschrift Vorsichtig und klug; der gestürzte Stelzenläufer illustriert das moderne Sprichwort Hochmut kommt vor dem Fall bzw. – wie die genaue lateinische Inschrift lautet – Er wird emporgehoben bis zum Sturz.

Spielstein auf den dreifachen Sieg über die Türken und ihre Verbündeten bei Peterwardein, Huy und an der Rheingrenze von 1694. Aus Auktion 425 (3.-5. Juli 2025), aus Los Nr. 2242.

Spielstein auf den dreifachen Sieg über die Türken und ihre Verbündeten bei Peterwardein, Huy und an der Rheingrenze von 1694. Aus Auktion 425 (3.-5. Juli 2025), aus Los Nr. 2242.

Die historischen Spielsteine

Während die meisten hellen Spielsteine allegorische Themen präsentieren, sehen wir auf den dunklen Steinen Stempel, die eigentlich von Philipp Heinrich Müller für Medaillen geschaffen wurden. Sie beschäftigen sich mit der Tagespolitik, wobei diese zum Zeitpunkt der Herstellung des Spiels wohl schon weit zurücklag. Dieser Stempel zum Beispiel thematisiert die Siege der Habsburger von 1694 über ihre Feinde, nämlich bei Peterwardein gegen die Türken, bei Huy und an der Rheingrenze über die Franzosen.

Spielstein auf den Fürstenkongress in Den Haag von 1691. Aus Auktion 425 (3.-5. Juli 2025), aus Los Nr. 2242.

Spielstein auf den Fürstenkongress in Den Haag von 1691. Aus Auktion 425 (3.-5. Juli 2025), aus Los Nr. 2242.

Wer einen inneren Zusammenhang zwischen den historischen Darstellungen auf den dunklen Spielsteinen sucht, scheitert kläglich. Logik war nicht gefragt, nur eine eindrucksvolle Optik. Dieser Brettstein zum Beispiel zeigt die Versammlung dreier Tugenden, Stärke, Klugheit und Eintracht. Sie reichen sich über einem dem Allgemeinwohl gewidmeten Altar die Hand. Der Stempel wurde ebenfalls von Philipp Heinrich Müller geschaffen und gehört zu einer Medaille, die anlässlich des Fürstenkongresses von Den Haag im Jahr 1691 herausgegeben wurde.

Ein völlig unterschätztes Sammelgebiet

Um also unsere Frage vom Anfang zu beantworten: Spielsteine sind ein heute völlig unterschätztes Randgebiet der Numismatik, das durch die Produktionsweise engstens mit Medaillen verwandt ist. Immerhin wurden Spielsteine von denselben Unternehmern produziert wie Medaillen, und zwar mit denselben Stempeln und auf denselben Pressen. Eigentlich sind Brettsteine nichts anderes als Medaillen in Holz.

Wer sich dafür interessiert, kann sich darüber freuen, dass diese Brettsteine zwar wesentlich seltener sind als Medaillen aus Silber und Bronze, aber gleichzeitig (noch) wesentlich günstiger.

Das mag auch daran liegen, dass die Tätigkeit der Nürnberger Medaillenindustrie und ihre Bedeutung für das europäische Sammlerwesen (noch) keine adäquate Aufarbeitung gefunden hat. Leider orientieren sich die meisten Monographien zum Thema Medaille entweder an den Ereignissen, die darauf behandelt werden, an der Nationalität der Personen, die darauf dargestellt sind, oder an den Künstlern, die die Stempel geschaffen haben. Damit geht völlig verloren, dass Medaillen eine Ware waren, deren Aussehen von den Bedürfnissen und Erwartungen der Kunden abhing, an die sie verkauft werden sollten.

Doch das könnte sich ändern. Es ist angekündigt, dass noch 2025 ein neues Werk aus der Feder von Hermann Maué erscheinen wird, das den Arbeitstitel „Friedrich Kleinert und Philipp Heinrich Müller“ trägt. Man darf hoffen, dass dieses Buch die Bedeutung des numismatischen Unternehmers Kleinert in allen Details würdigt und dabei auch die Spielsteine nicht vernachlässigt.

Literatur:

  • Ulrich Schädler, Vom Trictrac zum Backgammon. In: Spiel und Bürgerlichkeit. Passagen des Spiels I. Wien (2010), S. 37-62
  • Dieter Fischer und Hermann Maué, Medaillen und Schaumünzen auf Ereignisse in der Reichsstadt Nürnberg 1521-1806. Nürnberg (2014)
  • Hermann Maué, Spielsteine mit Bildern. 16. bis 19. Jahrhundert. Bestandskatalog des Germanischen Nationalmuseums. Nürnberg (2020)

Nichts mehr verpassen?

NEWSLETTER HIER ABONNIEREN